Rede des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Michael Müller



Rede des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Michael Müller, bei der Ordination von Absolventen des Rabbinerseminars zu Berlin am 9. Oktober 2018 im Skoblo Synagogue and Education Center

 

Sperrfrist: 9.10.2018, 11.00 Uhr

 

Es gilt das gesprochene Wort!

 

 

Sehr geehrter Herr Minister, lieber Heiko Maas,

sehr geehrter Herr Dr. Schuster,

sehr geehrter Herr Lauder,

sehr geehrter Herr Dr. Rubin,

und besonders herzlich begrüße ich Rabbiner Kahanovsky, Rabbiner Ponomarov und Rabbiner Sajatz,

 

die Brunnenstraße bildet einen beliebten Kiez im Herzen Berlins. Was kaum jemand weiß: Hier liegt ein bedeutender und traditionsreicher Ort jüdischen Glaubens und jüdischer Gelehrsamkeit.

 

Diese Verborgenheit hat historische Gründe: Das 1873 gegründete Hildesheimer’sche Rabbiner-Seminar wurde nach den Novemberpogromen vor 80 Jahren von den Nationalsozialisten geschlossen. Die hier ebenfalls beheimatete, 1910 gegründete Synagoge Beth Zion wurde ebenfalls Opfer der Novemberpogrome.

 

Nach dem Krieg drohte dieses Institut, das herausragende Gelehrte hervorgebracht und Studierende aus ganz Europa angezogen hat, der Vergessenheit anheimzufallen. Die 21.000 Bände der damals berühmten Bibliothek blieben seit den Plünderungen durch die Nazis weitestgehend verschollen. Lange stand dieses Gebäude leer.

 

Dass die Brunnenstraße 33 heute wieder ein lebendiger Ort des jüdischen Geistes und Glaubens ist, erscheint wie ein Wunder. Doch wir haben hier, wie auch an anderen Orten Berlins, immer wieder erleben können, dass Orte des Berliner Judentums wiederentdeckt und mit neuem Leben erfüllt wurden. Das ist ein später Triumph über das nationalsozialistische Vernichtungswerk, das alle Spuren jüdischen Lebens und jüdischer Kultur tilgen wollte. Und es bedeutet auch: Jüdisches Leben und jüdische Kultur haben ihren festen Platz in Berlin zurückerobert.

 

Ich danke an dieser Stelle dem Zentralrat der Juden in Deutschland und der Ronald S. Lauder Foundation. Gemeinsam haben sie vor neun Jahren das Rabbinerseminar zu Berlin am alten Standort neu eröffnet und sorgen bis heute für die Finanzierung.

 

Für Berlin bedeutet die Rabbinerschule eine große Bereicherung seiner jüdischen Bildungslandschaft. Dafür steht besonders auch dieses Haus, das Skoblo Synagogue and Education Center. Es beherbergt neben der Beth Zion Synagoge, einer Bibliothek und Seminarräumen auch die traditionell ausgerichtete Gemeinde Kahal Adass Jisroel, die dort einen Kindergarten betreibt.

 

Und vergessen wir nicht die große Tradition moderner Orthodoxie, die hier von Esriel Hildesheimer einst mitbegründet wurde. Sein programmatischer Leitsatz lautet übersetzt etwa: „Tora-Studium in Verbindung mit der Lebensweise des Landes“. Ein Leben, bei dem es kein Widerspruch ist, mit beiden Beinen im gesellschaftlichen Leben zu stehen und dabei seinen Glauben aktiv auszuüben. Das ist bis heute von großer Aktualität.

 

Meine Damen und Herren! Wir haben gerade in diesem Jahr erlebt, dass Berlin von mehreren antisemitischen Übergriffen erschüttert wurde. Jeder einzelne Übergriff, ob in der Schule, in den sozialen Medien oder gegen Menschen mit Kippa auf der Straße, ist für uns alle unerträglich. Politik und Zivilgesellschaft haben sich klar positioniert: In Berlin gibt es keinen Platz für Antisemitismus!

 

So gut es ist, dass Tausende genau dafür auch auf die Straße gehen: Wir haben auch lernen müssen, dass es nicht reicht, wenn man auf derartige Vorfälle nur mit Empörung reagiert. Der Kampf gegen Antisemitismus ist nur zu gewinnen, wenn er nachhaltig und auf vielen Ebenen geführt wird.

 

Das tun wir als Berliner Senat. Wir stärken Initiativen, die sich gegen Antisemitismus engagieren, aufklären und sensibilisieren. Berlin ist da bereits auf vielen Ebenen sehr aktiv. Wir haben seit einigen Jahren eine zentrale Landes-Antidiskriminierungsstelle und wir haben viele einzelne Akteure in den Verwaltungen, die in der einen oder anderen Form gegen Antisemitismus vorgehen.

 

Im Rahmen des Landesprogramms „Demokratie, Vielfalt, Respekt. Gegen Rechts-extremismus, Rassismus und Antisemitismus“ werden eine Vielzahl von Initiativen gefördert, die sich gegen Antisemitismus engagieren.

 

Aber klar ist, wir müssen mehr tun. Deshalb haben wir einen kompetent besetzten Arbeitskreis gegen Antisemitismus ins Leben gerufen, um Handlungsstrategien zu entwickeln, mit dem Ziel, noch wirksamer, noch effektiver und mit vereinten Kräften dagegen vorzugehen.

 

Gerade bei Kindern und Jugendlichen kommt es darauf an, früh deutlich zu machen, wie wichtig es ist, dass wir alle friedlich zusammenleben. Dass jeder in Berlin das Recht hat, seine Religion auszuüben, egal, ob Jude, Muslim oder Christ. Und dass jeder einen Anspruch auf Respekt hat, ganz gleich, woher jemand kommt, welches Geschlecht oder welche Religion man hat.

 

Ich will ein Berlin, in dem Jüdinnen und Juden ihren Glauben selbstbewusst zeigen. Ich möchte, dass Jüdinnen und Juden in Berlin sichtbar sind. Wir alle stehen für ein friedliches, weltoffenes und freies Berlin. Dafür kämpfen wir.

 

Wir brauchen ein dauerhaftes und nachhaltiges Engagement gegen Antisemitismus. Und wir dürfen den Mut nicht verlieren und müssen an unserem Ziel festhalten, auch wenn es Rückschläge gibt.

 

Heute ist ein Tag der Ermutigung und der Freude. Drei junge Rabbiner werden erstmals in Berlin ordiniert.

Liebe Rabbiner, ich freue mich für Sie, dass Sie heute Ihren großen Tag begehen können. Sie werden gebraucht, um junge Menschen an den Glauben heranzuführen und ältere in ihrem Glauben zu versichern. Sie werden – da bin ich sicher – ihre Gemeinden stärken und ihnen jene Zuversicht vermitteln, die wir alle heute brauchen.

 

Ich freue mich natürlich besonders, dass einer der Absolventen der Ordinierten, Rabbiner Kahanovsky als Leiter der Bildungsprogramme der Kahal Adass Jisroel Gemeinde in Berlin wirkt.

Ihnen allen wünsche ich viel Erfolg auf Ihren Lebenswegen. Und dass Sie Berlin im Herzen tragen.

 

 

Weitere Artikel

Rede des Präsidenten des Zentralrats der Juden in...

Rede des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster, bei der Rabbinerordination 2018, Beth Zion Synagoge, Berlin,...

Grußwort von Außenminister Heiko Maas

Grußwort von Außenminister Heiko Maas

anlässlich der Rabbinerordination
in Berlin am 08.10.2018

--- ACHTUNG: SPERRFRIST 09.10. UM 11 UHR!!!...

Begrüßung des Vorsitzenden der Gemeinde Kahal...

Begrüßung des Vorsitzenden der Gemeinde Kahal Adass Jisroel, Dr. Doron Rubin, bei der Rabbiner-Ordination, 9.10.2018, Berlin

Sperrfrist: 9.10.2018,...

Kurz-Biographien der Redner

Kurz-Biographien der Redner

  • Dayan Chanoch Ehrentreu: ist seit 2009 Rektor des Rabbinerseminars zu Berlin. Er wurde 1932 in Frankfurt a.M. als...