GEBET UND GOTTESDIENST – DIE JÜDISCHE FORM DES BETENS



Das Judentum kennt keinen Mittler zwischen Mensch und Gott.

Für den jüdischen Gemeindegottesdienst sind mindestens zehn im religiösen Sinne erwachsene jüdische  Personen nötig. Dieses Quorum heißt „Minjan“. Im orthodoxen Judentumzählen nur Männer zum Minjan; im nicht-orthodoxen Judentum auch Frauen. Die Volljährigkeit tritt mit der Bar Mizwa bzw. Bat Mizwa ein. Ohne Minjan kann ein Gottesdienst zwar stattfinden; bestimmte Gebete jedoch können nicht gesprochen werden. Die Gebetsrichtung, in der auch meist die Sitzplätze einer Synagoge angeordnet sind, ist nach Jerusalem gerichtet. Die Gebete werden ausschließlich mit Kopfbedeckung gesprochen (Verlinkung zu Kippa).
 

Direkte Kommunikation mit Gott

Die Betergemeinschaft kommuniziert über das Gebet direkt mit Gott. Im Judentum gibt es keine Mittler zwischen Gott und den einzelnen Menschen. Ein Mitglied der Betergemeinschaft dient während des Gebets als sog. Abgesandter der Gemeinde („Schaliach Zibur“). Er spricht oder singt bestimmte Gebete laut. In der Regel sind alle Anwesenden verpflichtet, die Gebete ebenfalls zu sprechen. Jedes Mitglied der Betergemeinschaft kann die Aufgabe des Abgesandten übernehmen. Häufig wird eine dafür ausgebildete Person (Kantor oder Vorbeter) von der jüdischen Gemeinde dazu angestellt. Die Person betet mit der Gemeinde, aber nicht für sie.

Ein Rabbiner hat beim Gebet keine besonderen Aufgaben zu erfüllen. Er ist ein Gelehrter, der religionsrechtliche Entscheidungen trifft und seelsorgerisch arbeitet. Hierzulande erfüllt er aber auch oft die Funktion des Vorbeters. Üblicherweise hält ein Rabbiner die Predigt für den Gottesdienst. Allerdings ist eine Predigt kein Teil des Gebets und  für den Gottesdienstnicht erforderlich.
 

Zentrale Gebete

Im Judentum wird drei Mal täglich gebetet: Am Morgen, am Nachmittag und am Abend. Die Gebete ersetzen die Opfer, die seinerzeit im Tempel gebracht wurden. Am Schabbat und den Feiertagen betet man im Anschluss noch ein weiteres Gebet („Mussaf“, „Zusatz“). Es erinnert an das zusätzliche Opfer, das an diesen Tagen im Tempel geopfert wurde. Das Nachmittagsgebet wird oftmals kurz vor dem Abendgebet gesprochen und dadurch mit ihm vereinigt.

Zentral für alle Gebete zu den verschiedenen Tageszeiten ist das sog. „Achtzehngebet“ („Schmone Essre“, vom hebr. schmone essre, „achtzehn"). Das Gebet bestand ursprünglich aus 18, heute 19 Segenssprüchen. Es wird stehend gesprochen und daher auch als „Amida“ (hebr. „Stehen“) bezeichnet.

Vor der Schmone Essre wird im Morgen- und Abendgebet das „Schma Israel“ gesprochen, das grundlegende Glaubensbekenntnis der Juden („Höre Israel, der Ewige ist unser Gott, der Ewige ist einzig", Deut. 6,4). An diesen Vers schließen sich die Verse 5 – 9, Deut. 11, 13 – 21 und Num. 15, 37 – 41 an.
 

Vorlesung aus der Tora

Am Schabbat-Morgen und -Nachmittag sowie im Morgengebet am Montag und Donnerstag wird in der Synagoge aus der Tora vorgelesen. Der Text der Tora ist in 54 Abschnitte geteilt. An jedem Schabbat wird ein neuer Abschnitt gelesen. Unter der Woche wird nur der erste Teil des nächsten Wochenabschnitts gelesen, der am folgenden Schabbat vollständig vorgetragen wird. Nach einem Jahr ist der Lesezyklus abgeschlossen (Verlinken zu Simchat Tora). Der Zyklus beginnt dann von Neuem.

Auch an den Feiertagen finden Toravorlesungen statt. Die jeweiligen Abschnitte beziehen sich in der Regel auf den Feiertag oder passen thematisch zu ihm. Der Toralesung folgt jeweils ein Text aus den Büchern der Propheten. Diese passt ebenfalls thematisch zum vorgetragenen Toraabschnitt.

Einzelne Mitglieder der Betergemeinschaft werden zur Toralesung aufgerufen. Sie sprechen entweder die einrahmenden Segenssprüche vor und nach der Toralesung oder lesen einen Teil des Toraabschnitts vor.
 

Besondere Gegenstände für das Gebet

Zu den Gegenständen, die man neben der Kopfbedeckung (verlinken zu Kippa) für das Gebet benötigt, gehören die Tfillin („Gebetskapseln“) und der sog. Tallit (Gebetsschal) (verlinken zu  Tfillin und Tallit). Beide werden im orthodoxen Judentum von Männern, in den nicht-orthodoxen Strömungen auch von Frauen angelegt. Der Tallit wird im Morgengottesdienst, an Schabbat und Feiertagen auch beim Zusatzgebet getragen. Beim Vorlesen der Tora und ganztägig an Jom Kippur wird der Tallit ebenfalls angelegt.

Angelehnt an: Heinrich Simon: Leben im Judentum, Verlag Hentrich & Hentrich und Centrum Judaicum Berlin, 2003

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