Richtfest Synagogenneubau Jüdische Gemeinde zu Dessau



Grußwort von Abraham Lehrer zum Richtfest Synagogenneubau Jüdische Gemeinde zu Dessau

 

Anrede,

was für ein freudiger Tag! Ich bin sehr glücklich, heute mit Ihnen gemeinsam das Richtfest des Synagogenneubaus der Jüdischen Gemeinde zu Dessau feiern zu können.

Nicht viele Tage sind in diesen Zeiten so erfreulich und die Gelegenheiten und Möglichkeiten zusammenzukommen sind leider pandemiebedingt noch immer sehr begrenzt.

Umso mehr genießen wir den heutigen Tag.

Sehr gern überbringe ich Ihnen auch die Grüße des Präsidenten des Zentralrats, Herrn Dr. Josef Schuster. Ein herzliches Mazal Tov und Dank an Sie alle, die dazu beigetragen haben, dass wir dieses Richtfest heute gemeinsam feiern können.

Ein Werk wie ein Synagogenneubau ist nie nur das Werk eines Einzelnen. Viele Hände müssen ineinandergreifen und der gemeinsame Wille muss da sein, Neues zu schaffen und mutig in die Zukunft zu schauen.

Denn es gilt heute mehr denn je, jüdisches Leben nicht nur für die heutigen Gemeinden zu sichern, sondern dafür zu sorgen, dass auch künftige jüdische Generationen hier einen Ort haben, an dem sie sich sicher, geborgen und wertgeschätzt fühlen.

Damit dies gelingen kann, brauchen wir eine engagierte Politik in Stadt, Land und Bund an unserer Seite, die sich der aus der Vergangenheit resultierenden Verantwortung für ein prosperierendes jüdisches Leben bewusst ist.

Ihnen sehr verehrter Herr Ministerpräsident gebührt stellvertretend für dieses Engagement mein Dank.

Sie, lieber Herr Dr. Wassermann haben das Ihre dazu beigetragen, dass wir heute hier stehen und weiter an unserer jüdischen Zukunft bauen. Ihnen und Ihren Gemeindemitgliedern gilt mein herzlicher Dank, denn die Jüdischen Gemeinden in Deutschland, meine Damen und Herren sind das Fundament, auf dem der Zentralrat der Juden in Deutschland steht.

Nicht zuletzt gehört zur Gestaltung jüdischer Zukunft auch ein kreativer Visionär, ein Mensch wie Professor Jacoby, den ich hier ebenso erwähnen will, wie nicht zuletzt auch all die fleißigen Handwerker, die die auf Papier gebannten Fantasien schließlich Realität werden lassen.

Mein Dank geht auch an die zahlreichen Unterstützer, auf die die Gemeinde stets zählen konnte, wie z. B. die Kurt-Weill-Gesellschaft, die ich hier stellvertretend nennen möchte.

Wir wissen, dass es weder selbstverständlich war noch ist, dass in Deutschland nach der Schoa eines Tages wieder so aktives jüdisches Leben entstehen würde.

Wenn ich einen historischen Bogen schlagen wollte vom Jahr 1642 als das Fürstenhaus zu Anhalt-Dessau erste Schutzbriefe an Juden ausgab bis zum heutigen Tage, dann müsste ich jetzt einen mehrstündigen Vortrag halten.

Allerdings habe ich nur fünf Minuten Zeit, deshalb bleibt Ihnen dies erspart.

Dennoch ist es mir wichtig zu erwähnen, dass es nicht selbstverständlich war, dass die jüdischen Einwanderer aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, die die heutigen jüdischen Gemeinden überwiegend prägen, in so großer Zahl in Deutschland ein neues Zuhause finden würden. Sie haben dieses tatkräftig, mutig und entschlossen aufgebaut.

Auch dafür meinen Dank insbesondere an die Gründungsgeneration der Gemeinde zu Dessau. Denn jüdisches Leben in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte. Ohne den Mut der Zuwanderer, sich hier eine neue Existenz aufzubauen, wäre sie nicht denkbar.

Ein Blick zurück in die Geschichte führt uns immer wieder eindrücklich vor Augen, dass das Aufblühen einer jüdischen Gemeinde stets abhängig war vom Wohlwollen der Herrschenden und der Toleranz der Bevölkerung. Mein Religionslehrer Ernst Simons S.A. pflegte nichtjüdischen Besuchern ihre Frage an ihn: „Was erwarten Sie als Jude von uns als Christen?“ so zu beantworten: „Seien sie gute Christen, dann können wir gute Juden sein!“ Unsere gemeinsame Geschichte zeigt zugleich ebenso eindrücklich, welch reiche Früchte diese Epochen trugen, in denen das Zusammenleben gelungen ist.

Meistens gingen mit der Ansiedelung von Juden bedeutende Fortschritte in Wissenschaft und Kultur einher. Großartige Bauwerke und andere Kulturdenkmäler sind in diesen Phasen entstanden.

Hier in Dessau sind diese Blütezeiten verbunden mit ganz großen Namen wie Moses Mendelssohn oder Kurt Weill sowie natürlich mit dem Bauhaus.

Wer sich heute dazu bekennt, meine Damen und Herren, jüdisches Leben in Deutschland zu unterstützen, der darf es nicht bei Bekenntnissen belassen.

Die jüdische Gemeinschaft erlebt in diesen Tagen Angriffe von rechts, von links, aus dem islamistischen Milieu und sogar aus der vermeintlichen Mitte dieser Gesellschaft. Coronaleugner und Holocaustrelativerer „schwurbeln“ ihre Verschwörungsmythen auf sogenannten Spaziergängen in den öffentlichen Raum und vergiften unseren Rechtsstaat, unsere Demokratie und unser Gemeinwesen.

Machen wir endlich Schluss damit! Ein Holocaustleugner ist ein Holocaustleugner! Wer sich einen gelben Stern anheftet, ist ein Holocaustrelativierer und kein Freiheitskämpfer.

Wer mit Rechtsextremen marschiert, macht sich mit ihnen gemein. Das darf nicht ohne Konsequenzen bleiben.

Es ist höchste Zeit, dass Politik und Justiz überall in Deutschland endlich gegen diese Milieus vorgehen, statt sie durch Passivität noch in ihrem Tun zu befeuern.

Egal aus welchem Milieu die Angriffe kommen, wir brauchen eine wachsame Justiz, eine wachsame Politik, wachsame Sicherheitsbehörden und eine engagierte Zivilgesellschaft, um diesen Angriffen zu begegnen.

Jeder Einzelne ist in seinem Alltag gefragt, Antisemitismus und Rassismus zu widersprechen und laut und vernehmbar NEIN! zu sagen.

Demokratie und Antisemitismus sind unvereinbar. Deshalb geht der Kampf gegen Menschenfeindlichkeit und Judenhass uns alle an.

Jeden Tag, an jedem Ort.

An diesem heutigen Tag, meine Damen und Herren senden wir aber kein NEIN in die Öffentlichkeit, sondern ein JA!

Ein JA zu einer weltoffenen, demokratischen Gesellschaft, einer Gesellschaft, zu deren unverrückbarem Kern die Erinnerung an die Schoa gehört.

Wir senden ein JA! zur Religionsfreiheit,

ein JA! zu religiöser und kultureller Vielfalt

und ein JA! zu jüdischem Leben in der Mitte unserer Gesellschaft – denn dorthin gehört es!

Wenn es uns gemeinsam gelingt, die tolerante Mehrheit zu stärken und wieder mehr Offenheit für Veränderungen zu erreichen, dann kann auch dieses Jahrhundert, in dem wir leben, zu einer Blütezeit werden. Reichen wir einander die Hände und seien wir laut. Gemeinsam für eine Gesellschaft in Vielfalt und Solidarität.

Das ist mein Traum!

Möge dieser heutige Tag ein Schritt dahin sein, dass dieser Traum Wirklichkeit wird!

In diesem Sinne wünsche ich der Jüdischen Gemeinde zu Dessau alles Gute für die nächsten Jahrzehnte und ein friedliches Zusammenleben aller Religionen und Kulturen hier in Dessau und Sachsen-Anhalt.

 

Möge die Gemeinde blühen und die Synagoge viele Beterinnen und Beter beherbergen.

 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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