Die „Denkfabrik Schalom Aleikum“ vom Zentralrat der Juden in Deutschland lud gestern, am 11. Oktober, zu einem Podiumsgespräch in das Kultur- und Bildungszentrum der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen ein. Unter dem Stichwort „Glaubensspuren in hitziger Zeit“ sprachen die Teilnehmenden des Podiums über Lebensrealitäten in Thüringen und gesellschaftlichen Zusammenhalt in Ostdeutschland. Vor dem Hintergrund des Angriffs auf Israel und der Solidaritätskundgebung in Erfurt vor der Veranstaltung wurden über den geplanten Gesprächsrahmen hinaus auch die derzeitige Situation in Nahost und deren Auswirkungen in Thüringen besprochen. Es wurde rasch deutlich, dass beide Themenbereiche nicht zu trennen sind.
Die Journalistin und Autorin Blanka Weber moderierte den Abend. Zunächst fand ein Kurzgespräch mit Doreen Denstädt, Ministerin für Migration, Justiz und Verbraucherschutz und Beauftragte gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Sintizze sowie Roma und Romnja in Thüringen, und dem Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, statt.
Auf dem anschließenden Podium diskutierten Paul-Philipp Braun (Freiberuflicher Fotograf und Journalist, ehrenamtlicher Auslandsexperte für die Hilfsorganisation I.S.A.R Germany), Masuma Jafari (Mitglied im Ausländerbeirat der Stadt Erfurt und Antirassismusberaterin im Projekt AntiRaktiv des Vereins MigraNetz Thüringen) und Prof. Dr. Reinhard Schramm (Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen). Für die musikalische Begleitung des Abends sorgte der Pianist und Musikwissenschaftler Jascha Nemtsov.
Zu den Lösungsansätzen in beiden Gesprächsrunden gehörten Bildungsarbeit im Kontext Schule, Erwachsenenbildung, Dialog und die immer wiederkehrende Besinnung auf die Menschenrechte. Zwischen Abraham Lehrer und Doreen Denstädt kam insbesondere das Thema Solidarität zur Sprache. Abraham Lehrer sprach von einem sich drehenden Sympathierädchen, und rief zur dauerhaften Solidarität mit Israel auf. Doreen Denstädt schloss das Kurzgespräch mit der Feststellung, dass die Solidarität gegenüber Geflüchteten in Thüringen bereits auf einem Tiefpunkt angekommen sei - und doch bestehe sie auf Dialog.
In der anschließenden Podiumsdiskussion stellte Prof. Dr. Reinhard Schramm fest: Interreligiöser Dialog in Thüringen funktioniere im Rahmen von Integration gut. Durch ein Erkennen und Betonen von Gemeinsamkeiten komme man auch mit bestehenden Differenzen besser zurecht. Die Podiumsteilnehmenden waren sich einig, dass es für Masuma Jafari, als gläubige Muslimin, keine Selbstverständlichkeit sei, in diesen Tagen auf diesem Podium zu sein. Sie hebt auch für ihre Dialogarbeit hervor, dass Allgemeinmenschliche als bindenden Faktor hervor. Dieses Verständnis setzt sie auch in ihrem Engagement gegen Antisemitismus unter Muslimen ein. Paul-Philipp Braun appelliert an eine Allianz aller demokratischen Kräfte gegen Extremismus jeder Art und fragt: wie schieben wir Dialog an?
Jede Biografie hat ihre dramatische Seite, so Reinhard Schramm, und jedes Leid muss anerkannt werden.
Der gestrige Abend hat bestätigt, dass eine Vereinigung demokratischer Kräfte und die Zusammenkunft verschiedener Glaubensrichtungen funktionieren kann und gegenseitiges Verständnis speziell in Ostdeutschland stärkt.
Die „Denkfabrik Schalom Aleikum“ wird die von der Staatsministerin (beim Bundeskanzler) und Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration sowie Beauftragten der Bundesregierung für Antirassismus Reem Alabali-Radovan gefördert. Rückfragen beantworten wir Ihnen gerne unter: denkfabrik-schalom-aleikum(via)zentralratderjuden.de
Erfurt, 12. Oktober 2023 / 27. Tischri 5784