Mitzvah Day in Köln



Foto: Jörn Neumann

Grußwort des Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden, Abraham Lehrer, 15.11.2015

Liebe Bewohner des Flüchtlingsheims, sehr geehrte Frau Kneip, hochverehrter MdB Volker Beck,liebe hauptamtlichen und ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, liebe Freunde!

Wir sind heute mit einer Gruppe aus unserer jüdischen Gemeinde, der Synagogengemeinde Köln und unserem Begegnungszentrum, zu Ihnen gekommen, um mit Ihnen gemeinsam den Tag zu verbringen.

Denn heute begehen wir in ganz Deutschland den Mitzvah Day – den jüdischen Tag der guten Taten. Überall in Deutschland sind heute Mitglieder von jüdischen Gemeinden und jüdischen Organisationen unterwegs, um zu helfen: Sie helfen alten und behinderten Menschen, sie machen Spielplätze sauber oder pflegen Friedhöfe.

Der Mitzvah Day wird vom Zentralrat der Juden in Deutschland veranstaltet. Das ist die Dachorganisation von mehr als 100 jüdischen Gemeinden. Ich bin der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, mein Name ist Abraham Lehrer.

Unsere Gemeinden sind sehr klein. Alle Mitglieder zusammengerechnet kommen wir nur auf 100.000 in Deutschland. Trotzdem wollen wir so viel tun, wie wir können. In diesem Jahr unterstützen wir am Mitzvah Day vor allem Flüchtlinge.

Es sind seit dem Sommer sehr viele Menschen nach Deutschland gekommen, die unsere Hilfe brauchen. Deshalb sind wir heute hier bei Ihnen. Vor allem aber möchten wir Ihnen zurufen:

Herzlich willkommen! Welcome! Bruchim Haba’im!

Wir möchten ein wenig dazu beitragen, dass Sie sich in Deutschland und in Köln wohlfühlen. Damit setzen wir ein Gebot unserer Religion um: die Welt ein Stückchen besser zu machen. Gutes zu tun und anderen Menschen zu helfen – das ist in allen Religionen ein Gebot, im Islam ebenso wie im Judentum und im Christentum. Das verbindet uns alle.

Im 2. Buch Moses steht: „Einen Fremden sollst Du freundlich aufnehmen. Du weißt doch, wie es einem Fremden zumute ist; denn ihr selbst seid in Ägypten in der Fremde gewesen.“ Und gerade im Islam und in Ihren Heimatländern ist Gastfreundschaft sehr wichtig. Fremde und Gäste werden herzlich aufgenommen und großzügig bewirtet. Das hat in Ihren Heimatländern Tradition. In dieser Hinsicht können wir in Deutschland von Ihnen lernen!

Freitagabend sind unfassbare Dinge in Paris geschehen. Verübt von Menschen, die so verblendet in Ihrer Religion sind, dass sie außerhalb von jedweder Menschlichkeit stehen. Nach jedem dieser Attentate schreit die Welt auf, man nimmt sich vor, mehr gegen diese Terroristen zu tun. Aber bereits nach kurzer Zeit holt der Alltag uns wieder ein. Die unternommenen Schritte werden nicht konsequent oder nur halbherzig ausgeführt. Über die letzten Jahrzehnte hat sich die Zahl der Terrororganisationen extrem vervielfacht. Vor allen Dingen sind sie stets brutaler und bestialischer, ja gar blutgieriger geworden. Die internationale Politik hat noch immer nicht begriffen, dass solche Organisationen keine Partner sein können und dürfen. Wir alle müssen hoffen, dass aus der Konferenz in Wien wirklich Frieden für den Nahen Osten erwächst. So ganz vermag ich daran nicht zu glauben. Auf Grund der Ereignisse in Paris haben wir uns entschlossen unser Programm für heute ein wenig zu ändern. Bitte haben Sie Verständnis dafür.

Heute freuen wir uns, hier bei Ihnen zu Gast zu sein. Und wir laden Sie gleichzeitig ein zu vielen Aktionen, die wir für Sie vorbereitet haben.

In unserer jüdischen Gemeinde, also auch jetzt in unserer Gruppe, die hier ist, sind viele Menschen, die selbst Flüchtlinge waren. Sie verließen vor 25 Jahren ihre Heimat, Russland, die Ukraine und andere Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Und sie mussten ebenfalls in diesem Land Fuß fassen. Die Menschen hier waren ihnen fremd. Die Kultur war fremd. Das Essen war fremd. Und Deutsch sprechen konnten sie auch nicht. Viele aus unserer Gruppe können sich daher gut vorstellen, wie es Ihnen gerade geht.

Doch inzwischen fühlen sich unsere Gemeindemitglieder hier zu Hause. Sie haben Deutsch gelernt. Ihre Kinder sind hier geboren. Sie fühlen sich hier wohl. Und sie wissen, dass dieses Land viel für sie getan hat. Deshalb möchten sie heute gerne etwas davon zurückgeben:

Sie möchten Ihnen Mut machen! Und sie möchten dazu beitragen, dass auch Sie sich hier wohlfühlen. Dass Sie sich willkommen fühlen!

Und nun wünsche ich Ihnen und uns vergnügte und frohe Stunden!

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