„Durch Weisheit wird ein Haus gebaut, und durch Einsicht gewinnt es Bestand, und durch Erkenntnis werden die Kammern gefüllt mit vielen kostbaren und angenehmen Gütern.“
Diesen Satz aus den Sprüchen der Väter haben wir uns als Leitbild genommen, als wir im vergangenen September den Spatenstich für die neue Jüdische Akademie in Frankfurt feiern durften.
Fertig wird die neue Jüdische Akademie künftig zum einen als eine weitere architektonische Manifestation jüdischen Lebens auf das Stadtbild Frankfurts wirken und zum anderen mit ihren Veranstaltungen, Debatten und Diskursen in die Stadtgesellschaft hineinwirken. Damit steht die neue jüdische Akademie auch in der Tradition des Freien Jüdischen Lehrhauses der 1920er Jahre.
Während noch mit Putz und Mörtel gebaut wird, arbeiten wir gleichzeitig am konzeptionellen Inneren der neuen Akademie. Dafür unternehmen wir heute mit der Unterzeichnung des Memorandum of Understanding zwischen der Goethe-Universität Frankfurt und der Jüdischen Akademie einen großen und richtungsweisenden Schritt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Wenn wir heute die institutionelle Kooperation zwischen der Universität Frankfurt und der neuen Jüdischen Akademie feierlich begehen, tun wir das im Bewusstsein der langen Geschichte des großen jüdischen Beitrags an der Errichtung, dem Gelingen und der Widerbelebung der Frankfurter Universität.
Als Stiftungsuniversität hat die Universität Frankfurt ihre Entstehung nicht zuletzt auch vielen jüdischen Mäzeninnen und Mäzenen aus dem Frankfurter Bürgertum zu verdanken. Hannah Luise von Rothschilds Stiftung des Carolinums soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.
Ebenso die durch den Bankier Georg Speyer und seine Frau Franziska finanzierte Studienstiftung, der wesentliche Teile der Frankfurter Universität entstammen, muss an dieser Stelle hervorgehoben werden. Dieses Stiftungsvermögen ermöglichte auch die Arbeit des jüdischen Arztes und Nobelpreisträgers Paul Ehrlich an der Erforschung von Infektionskrankheiten.
Ein Blick auf die Anfangsjahre der Universität zeigt uns auch das Interesse der Frankfurter Studenten am Freien Jüdischen Lehrhaus von Franz Rosenzweig. Leo Löwenthal und Siegfried Kracauer arbeiteten nach ihrem Studium an der Frankfurter Universität am Jüdischen Lehrhaus.
Meine Hoffnung ist es, dass die neue Jüdische Akademie - wie schon das Jüdische Lehrhaus der 1920er Jahre - das Interesse der Frankfurter Studentinnen und Studenten in diesen 2020er Jahren wecken kann und sich viele Berührungspunkte ergeben werden.
Nicht zuletzt haben auch die jüdischen Rückkehrer aus dem Exil die Ausrichtung der Universität nach Krieg und Shoah entscheidend geprägt. Max Horkheimer, der als Rektor eine demokratische Universität hier neu aufgebaut hat. Theodor W. Adorno, mit dem er zusammen ergründet hat, wie Aufklärung auch in ihr Gegenteil umschlagen kann. Dabei haben beide auch entscheidende Grundlagen der wissenschaftlichen Reflexion über den modernen Antisemitismus gelegt.
Erwähnt werden muss an dieser Stelle natürlich auch Fritz Bauer, an den die Goethe Universität mit einem nach ihm benannten Institut erinnert. Sein aufklärerisches Wirken als ein in der Öffentlichkeit stehender Generalstaatsanwalt und Initiator der Auschwitz-Prozesse war ein wichtiger Anfangspunkt für gesellschaftspolitische Debatten und die Aufarbeitung der NS-Zeit.
Weithin sichtbar ist auch heute noch in Frankfurt der auf seine Initiative am Frankfurter Gericht angebrachte Schriftzug des Artikel 1 unseres Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Diese Überzeugung, dass jeder einzelne Mensch einen Wert hat, ist das Fundament unserer pluralen Gesellschaft.
Die Akademie des Zentralrats will sich dabei mit einer jüdischen Perspektive in den gesellschaftlichen Diskurs einbringen. Debatten sollen aus der Gesellschaft in die Akademie hineingetragen und Impulse und Ideen nach Frankfurt und Europa hinausgetragen werden.
Ein solches Projekt gelingt am besten in Zusammenarbeit. Die Unterzeichnung des Memorandum of Understanding bietet dafür nun auch den institutionellen Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Universität und Jüdischer Akademie. Lassen sich mich an dieser Stelle allen meinen herzlichen Dank aussprechen, die die heutige Besiegelung unserer Kooperation ermöglicht haben.
Meine Damen und Herren,
erlauben sie mir mit einer Feststellung und einer Bitte zu schließen. Ich bin der festen Überzeugung, dass heute der Beginn einer erfolgreichen Zusammenarbeit ist. Meine Bitte kann daher nur sein: Behalten sie sich alle ihr großes Engagement bei und füllen sie diese Kooperation mit Leben und Ideen! Dafür wünsche ich Ihnen von Herzen gutes Gelingen und großen Erfolg!
Vielen Dank!