Maccabia WIEN, am 5.7.2011 – Empfang beim Deutschen Botschafter, s. E. Herr Blomeyer-Bartenstein



Rede Dr. Dieter Graumann

Eure Exzellenz Herr Botschafter, Sehr geehrte Vertreter des Bundesinnenministeriums und des Auswärtigen Amtes,

Lieber Peter Guttmann,

Liebe Sportler und Sportbegeisterte, liebe Freunde

Zunächst einmal will ich mich bei Ihnen, sehr verehrter Herr Botschafter, für die Gastfreundschaft bedanken. Und zugleich bin ich beeindruckt, wenn ich dieses Ambiente hier sehe und auf mich wirken lasse.

Ich muss daran denken: Als Theodor Herzl vor gut 100 Jahren die Idee des Judenstaates entwickelte, da spotteten gerade viele Wiener Juden und sagten:

Das sei schon in Ordnung, wenn andere Juden in den Nahen Osten gingen.

Sie selbst wollten aber nur einen einzigen Posten in der neuen Regierung des Judenstaates: Den Posten des Botschafters in Wien.

Wenn ich mich hier umschaue, kann ich das gut verstehen. Viel schöner ist es wohl nirgendwo. Und wir sind sehr gerne bei Ihnen heute zu Gast.

Dank auch für die Unterstützung durch die Bundesregierung.

Wir sind hier als Delegation von Deutschland. Wir marschieren morgen ein unter der deutschen Fahne. Das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit!

Denn: Selbstverständlich ist das neue jüdische Leben hier keineswegs.

Und auch seine internationale Akzeptanz nicht. Nach dem Krieg hatten die großen jüdischen Organisationen jüdisches Leben in Deutschland lange kategorisch verdammt. Und auch die allermeisten Juden auf der Welt dachten und fühlten so.

Bei den ersten Maccabiaden nach dem Krieg durften die wenigen Teilnehmer aus Deutschland eben gerade nicht unter dem Titel „Deutschland" antreten –

„Deutschland" war für Juden lange Zeit ein Tabu!

Erst in den letzten zwei Jahrzehnten hat sich hier tiefgreifend etwas verändert. Juden hier haben inzwischen längst zu neuem Selbstbewusstsein gefunden und sind in der jüdischen Welt allseits anerkannt. Das hat bestimmt auch mit dem veränderten Bild Deutschlands in der Welt zu tun. Aber, in aller Bescheidenheit, auch damit, dass wir Juden in der jüdischen Welt – und überall sonst auch - immer wieder für dieses neue Deutschland werben, das sich seiner historischen Verantwortung stellte und stellt, wie kein anderes Land auf der Welt. Nirgendwo war es allerdings auch so nötig gewesen.

Dass Juden in Deutschland wieder heimisch sind, sich zuhause fühlen können, emotional endlich hier angekommen sind – das ist auch ein Geschenk für Deutschland. Und dass so Viele sogar wieder neu hierhergekommen sind, gerade nach Deutschland ist ein Kompliment für dieses Land.

Und die Akzeptanz für jüdisches Leben hier ist weltweit inzwischen endlich selbstverständlich – ja: der weltweite Respekt für das, was wir hier aufbauen, ist nun tatsächlich wirklich groß. Ob wir so viel Respekt denn wirklich verdienen? Wer weiß. Möglicherweise schon. Und vielleicht doch.

Denn: Wir bauen schließlich gerade jetzt wieder eine ganz neue jüdische Gemeinschaft in Deutschland auf. Sie soll blühen – munter und bunter!

Es ist von unserer Seite eine machtvolle Vertrauenserklärung für die Menschen im Deutschland von heute und von morgen. Wir wollen das Judentum hier auch frischer, moderner, positiver präsentieren und positionieren. Wir wollen dem Judentum in Deutschland eine frische Perspektive und eine neue, ganz starke Zukunft geben. Unsere neue, bessere Zukunft hat schon längst begonnen.

Judentum hat zwar eine lange Tradition, aber Judentum ist keineswegs von gestern. Ganz im Gegenteil: Judentum hat Zukunft und Judentum ist auch ein Stück Zukunft! Genau das zeigen wir hier – mit dem Besten, dem Aller-Besten, was wir zu bieten haben: Mit unseren jungen Menschen, mit unserer eigenen Zukunft.

Wir treten hier aber auch auf als Teil der jüdischen Familie. Rund 40 Nationen werden hier vertreten sein. Ein großes jüdisches Familienfest. Das gibt uns ein Gefühl von Wärme, von Herzlichkeit, von Gemeinschaft, von Zusammenge-hörigkeit. Und das gerade in Wien.

Ich selbst liebe Wien sehr. Ich war hier schon so oft. Meine Frau kommt aus Wien. Und bei aller Liebe weiß ich doch: Erst bei den letzten Gemeinderats-wahlen hier in Wien, vor rund neun Monaten erst, hat die FPÖ, eine betont ausländerfeindliche und judenfeindliche Partei, rund 27 % der Stimmen bekommen. Wenn wir hier also durch das schöne Wien gehen, müssen wir davon ausgehen: Im Schnitt hat jeder Vierte hier diese faschistische Partei gewählt.

Umso schöner aber, dass wir morgen hier im Herzen von Wien feiern werden und so zeigen, als Juden in Europa – als Zeichen der Entschlossenheit, als Signal der Zukunft: Wir sind da! Wir bleiben da! Wir zeigen Flagge, Präsenz und Konsequenz. Wir sind gewiss nicht arrogant. Aber denn doch: Selbstbewusste und stolze und entschlossene Juden. Hier und überall.

Morgen und Immer.

Ich habe zu unseren jungen Sportlern ja schon gesprochen – und will das nicht alles recyceln und wiederholen. Aber ich sage auch hier: Ich bin so stolz auf Euch. Und ich meine es auch so: Das ist Eure Zeit! Das ist Euer Fest! Das ist Eure Feier!

Seid sportlich erfolgreich und holt haufenweise Medaillen.

Aber am wichtigsten ist mir: Genießt diese wunderbare Zeit, sie soll Euch bereichern, begleiten, prägen ein Leben lang. Diese Maccabia wird vergehen. Aber ein Stück von ihr sollt Ihr immer in Euch tragen – in Euren Gefühlen, in Euren Herzen. Das wünsche ich Euch heute allen jedenfalls von ganzem Herzen!

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