Laudatio des Ministerpräsidenten des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Herrn Erwin Sellering



Laudatio des Ministerpräsidenten des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Herrn Erwin Sellering, anlässlich der Verleihung des Paul-Spiegel-Preises an Birgit und Horst Lohmeyer im Festsaal des Schweriner Schlosses am 12.05.11

Anrede,

als Ministerpräsident des Landes ist es für mich eine besondere Freude, dass mit dem Paul-Spiegel-Preis für Zivilcourage in diesem Jahr zwei Menschen ausgezeichnet werden, die sich bei uns in Mecklenburg-Vorpommern in besonderer Weise mutig gegen Rechtsextremismus engagieren.

Der Preis heute ist eine Anerkennung für diesen Mut, für dieses wichtige Engagement und eine Ermutigung für die vielen anderen, die bei uns im Land gegen rechtsradikale Umtriebe kämpfen, gegen Fremdenfeindlichkeit, gegen Intoleranz, für eine lebendige, selbstbewusste Demokratie.

Ich freue mich sehr, dass der Zentralrat der Juden mit der Vergabe des hochangesehenen Paul-Spiegel-Preises heute gerade hier am Sitz unseres Landtages unser gemeinsames klares Nein zu rechtsextremer Gesinnung bei uns im Land unterstreicht. Vielen Dank dafür!

Die Landesregierung, die demokratischen Parteien und Fraktionen treten rechtsradikalen Bestrebungen entschieden entgegen. Und glücklicherweise können wir sagen, dass dies für die ganz große Mehrheit der Menschen in unserem Land gilt.

Wir brauchen vielfältiges Engagement gegen Rechtsextremismus

Im Landtag begegnen wir den Provokationen der NPD professionell: Mit enger Geschlossenheit und Abstimmung zwischen den Demokraten, ohne jede Form von Kollegialität mit den Abgeordneten der NPD. Mit kluger Gelassenheit bei den aggressiven Spielchen, den gezielten Verletzungen parlamentarischer Regeln, die allein auf mediale Aufmerksamkeit durch Provokation abzielen. Aber auch mit klarer Linie da, wo Menschenverachtung, Antisemitismus zum Ausdruck kommen, wo die Nazidiktatur verherrlicht wird.

Ich bin überzeugt, die feigen Anschläge auf Büros von Abgeordneten aller demokratischen Parteien, die wir in den letzten Monaten erlebt haben, sind auch ein Beleg: Die rechtsextreme Szene weiß um den Erfolg unserer Strategie, sie ist verzweifelt und sie tritt um sich.

Im Landtag ist es richtig, den Störungen der Rechtsextremen möglichst wenig Aufmerksamkeit entgegenzubringen. Im Land, in den Städten und Dörfern ist etwas anderes richtig. Hier ist jede und jeder einzelne gefordert, in seinem persönlichen Umfeld, in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, im Verein, an den Schulen, beim Dorffest aufmerksam und couragiert jedem noch so kleinen Versuch entgegenzutreten, dass Neonazis ihr menschenverachtendes Gedankengut und ihre antidemokratische Gesinnung als normal und selbstverständlich in unseren Alltag bringen.

Das gilt auch für die demokratischen Parteien. Sie müssen so stark wie möglich vor Ort präsent sein. Sie dürfen die Menschen mit ihren Sorgen und Ängsten nicht allein lassen. Wir müssen alles dafür tun, dass niemand glaubt, er finde Antworten bei denen, die in Wahrheit keine haben. Rechtsextremisten haben noch nie wirkliche Antworten gegeben – das müssen wir den Menschen deutlich machen.

Wichtig ist auch, dass wir alle rechtsstaatlichen Mittel ausschöpfen, dass z.B. die Behörden vor Ort alles tun, um geltendes Recht anzuwenden und umzusetzen

I ch begrüße auch den Vorstoß des Innenministers von Sachsen-Anhalt für ein neues NPD-Verbotsverfahren. Das fordern wir in MV schon lange. Die NPD ist eine verfassungsfeindliche Partei, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung aggressiv bekämpft. Ein neues Verbotsverfahren erhält selbstverständlich alle Unterstützung aus Mecklenburg-Vorpommern.

Ein NPD-Verbot ist zwar kein "Allheilmittel" im Kampf gegen den Rechtsextremismus. Dennoch wäre ein NPD-Verbot ein wichtiger Schritt. Schon deshalb, weil nicht einzusehen ist, dass eine verfassungsfeindliche Partei von Steuergeldern profitiert.

Von uns allen müssen rechte Anstifter und Gesinnungsgenossen tagtäglich erfahren, dass wir Menschenverachtung, Rassismus und Nazi-Gesinnung nicht dulden. Wann immer sich Rechtsradikale zeigen, muss ihnen das entschlossene „Nein" aller Bürgerinnen und Bürger entgegen schallen.

Deshalb ist es wichtig, dass es in unserem Land so viele Menschen gibt, die nicht schweigen, nicht wegschauen, Menschen mit Zivilcourage, die anderen Mut machen.

Dazu gehören ganz besonders auch Birgit und Horst Lohmeyer.

Seit Jahren leisten Sie mutig und entschlossen der Neonazi-Szene in Jamel Widerstand. Sie tun das mit Ihren Mitteln: Mit Musik, mit Kultur, mit medialer Öffentlichkeit machen Sie auf das aufmerksam, was sich an rechten Strukturen, an Einschüchterung und Willkür in ihrer direkten Umgebung entwickelt. Ihr mutiges Engagement verdient Anerkennung und Unterstützung. Ich freue mich sehr, dass Sie heute dafür mit dem Paul-Spiegel-Preis ausgezeichnet werden.

Laudatio für Birgit und Horst Lohmeyer

Anrede,

die nationalsozialistische Geschichte, die fürchterlichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die unter dieser Herrschaft begangen wurden, mahnen und verpflichten uns, den Anfängen zu wehren. Und wir wissen, dass es dort anfängt, wo sich Menschen von anderen bedroht und eingeschüchtert fühlen, wo Neid, Verachtung und rassistischer Dünkel geschürt werden, wo sich Aggression und Tyrannei breit machen und wo die terrorisiert werden, die dagegen aufstehen, Gesicht zeigen.

Wir wissen, Rechtsextremismus verschwindet nicht dadurch, dass man ihn ignoriert. Deshalb dürfen wir den Rechtsradikalen das Feld nicht überlassen. Wenn wir anfangen, zurückzuweichen, wenn wir wegschauen, öffnen wir rechtsradikalen Anstiftern Tür und Tor.

Wir alle wissen aber auch: Es gehört viel Mut und Rückgrat dazu, sich ganz persönlich, jeden Tag, dort, wo man wohnt, dort, wo man arbeitet der Auseinandersetzung zu stellen. Es gehört viel Courage dazu, zu sagen: Es darf nicht sein, dass Angst vor rechter Bedrohung die Oberhand über unsere Entscheidungen gewinnt. Zu sagen: Wir wollen uns nicht wegducken, wir sind bereit, für unsere demokratischen Werte einzutreten.

Genau dazu haben Sie sich entschlossen, sehr geehrte Frau Lohmeyer, sehr geehrter Herr Lohmeyer.

Als Sie vor einigen Jahren planten, von Hamburg aufs Land zu ziehen, haben Sie in Jamel mit dem alten Forsthaus genau das entdeckt, was Sie sich vorgestellt hatten. Ziemlich schnell war Ihnen aber auch klar, dass es im Dorf eine starke Neonazi-Szene gab. Sie standen vor der Frage: Weichen wir zurück? Lassen wir uns abschrecken? Lassen wir uns unseren Lebenstraum kaputtmachen?

Sie haben sich ganz bewusst entschieden, sich nicht beeindrucken, nicht beirren zu lassen. Sie haben 2004 den beherzten Schritt nach Jamel gewagt und Sie haben beschlossen, nicht schweigend zuzusehen, wie sich die rechtsextreme Szene dort ausbreitet und das öffentliche Leben und die öffentliche Wahrnehmung bestimmt.

Seit 2007 veranstalten Sie deshalb mit vielen befreundeten Musikern das Rock- und Bluesfestival „Jamel rockt den Förster", um damit ein Gegengewicht zur rechtsextremen Präsenz im Dorf und in der Region zu schaffen. Das war und das ist alles andere als ein Kinderspiel. Und es ist sicher nicht immer einfach die Diffamierungen in rechten Hetzblättern, auf rechten Internetseiten an sich abprallen zu lassen.

Doch Sie haben mit Ihrem Engagement inzwischen bundesweit und international viel Aufmerksamkeit und Unterstützung gefunden. Viele Journalisten haben über Sie berichtet. Auch aus dem Ausland, auch aus Israel waren Korrespondenten da. Das ehemals als Nazi-Dorf abgestempelte Jamel steht heute dafür, dass es Menschen mit Zivilcourage gibt, die engagiert etwas tun gegen die Neonazi-Szene.

Sie waren eingeladen zum Neujahrsempfang beim Bundespräsidenten.

Ende April sind Sie und Ihre Mitstreiter im Verein „KuSo" als Preisträger des 2010 ausgelobten bundesweiten Wettbewerbs „Aktiv für Demokratie und Toleranz" geehrt worden.

Ein schönes Zeichen der Solidarität war auch die Radtour durch Jamel am 1. Mai, zu der Vereine und Verbände aus der Region eingeladen hatten.

Heute kommt diese ganz besondere Auszeichnung des Zentralrats der Juden dazu.

Diese breite Unterstützung für Ihr Engagement finde ich hervorragend. Dafür danke ich allen sehr herzlich.

Aufruf zu souveränem Widerstand gegen Rechtsextremismus

Eigeninitiativen wie das Rockfestival in Jamel sind wichtig für Mecklenburg-Vorpommern und liegen mir sehr am Herzen. Deshalb habe ich 2009 die Schirmherrschaft übernommen. Ich finde es gut, dass wir mit Kultur, mit Kreativität, mit Fantasie und Vielfalt gegen die dumpfe Borniertheit der Rechtsextremen kämpfen.

Wir wissen - frei nach Bert Brecht - dass auch der gerechte Zorn die Gesichter verzerrt. Deshalb werbe ich dafür, dass wir die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus souverän führen, ohne überschießende Aggression, im Bewusstsein der Richtigkeit und Stärke unserer demokratischen Ideale, zuversichtlich auch wegen der großen Gemeinsamkeit so vieler engagierter Menschen, so vieler Initiativen und Institutionen unseres demokratischen Gemeinwesens in dieser wichtigen Frage.

Das haben am 1. Mai die vielen bunten Veranstaltungen gegen Rechts gezeigt, wie das große Demokratiefest in Greifswald.

Besonders souverän im Umgang mit den Nazis finde ich übrigens, wenn wir ihren dumpfen, bierernsten Parolen mit Witz und Spott begegnen, wie das die Satirefigur „Storch Heinar" tut, der nach seinem erfolgreichen Rechtsstreit gegen ein in der rechtsextremen Szene nicht unbekanntes Modelabel die Landtagskandidaten der NPD dadurch lächerlich macht, das er als Spitzenkandidat gegen sie antritt.

Storch Heinar ist ein Projekt von „Endstation Rechts" ­– dem bekannten Informationsportal über die Aktivitäten der rechten Szene, und beide Initiativen zeichnen sich dadurch aus, dass damit in sehr überzeugender Weise gerade Jugendliche angesprochen werden.

Unser Land hat in den vergangenen Jahren deutlich gemacht, dass wir den Kampf gegen den Rechtsextremismus als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstehen, mit konsequenter Bekämpfung rechtsextremistischer Straftaten, mit einer bundesweit beispielhaften Präventionslandschaft, mit unseren Regionalzentren für demokratische Kultur, mit Bündnissen wie „Wir. Erfolg braucht Vielfalt", angestoßen schon vor Jahren von den Gewerkschaften, den Arbeitgebern, den Kirchen und vielen anderen, regierungsunabhängig, überparteilich, unter der Schirmherrschaft unserer Landtagspräsidentin.

Ich danke allen sehr herzlich, die sich mit einfallsreichen Aktivitäten einsetzen für diese wichtige Mobilisierung und Stärkung des respektvollen, demokratischen Miteinanders bei uns in MV.

Souverän, fantasievoll, aber klar und unmissverständlich – lassen Sie uns so gemeinsam unseren Widerstand gegen rechtsextremistische Tendenzen in unserem Land fortsetzen.

Anrede,

alle Aktionen der Politik und der demokratischen Öffentlichkeit können Menschen zwar nicht zu toleranter, friedlicher Gesinnung zwingen. Aber das gesellschaftliche Klima prägen, Zivilcourage zeigen, Toleranz üben und Intoleranz ächten, das können wir und jeder von uns hat die Möglichkeit dazu beizutragen.

Sie, sehr geehrte Frau Lohmeyer, sehr geehrter Herr Lohmeyer, stehen dafür beispielhaft mit Ihrem Mut und Ihrem Engagement.

Ich freue mich sehr, dass Sie heute mit dem Paul-Spiegel-Preis geehrt werden.

Herzlichen Glückwunsch und alles Gute für Ihre Zukunft.

 

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