Israel-Jacobson-Preis 2018



Grußwort von Dr. Josef Schuster zur Verleihung des Israel-Jacobson-Preises 2018 an Bodo Ramelow, Erfurt, 7.5.2018

Foto : Tobias Barniske

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Als Träger des Israel-Jacobson-Preises kann ich mir kaum jemand Geeigneteren vorstellen als Bodo Ramelow. Denn Herr Ramelow hat mit Israel Jacobson durchaus Gemeinsamkeiten: Beide mussten bzw. müssen Kritik, ja mitunter sogar Anfeindungen aus den eigenen Reihen ertragen. Bei Israel Jacobson war es das orthodoxe Judentum, das mit seinen Reform-Ideen nicht einverstanden war. Bei Bodo Ramelow sind es die Israel-Kritiker unter den Linken, vielleicht könnte man sie mit einem Augenzwinkern auch als orthodoxe Linke bezeichnen.

Dem Druck aus den eigenen Reihen Stand zu halten und für seine Überzeugung zu kämpfen – das ist wahrlich nicht leicht. Weder in der Politik noch in einer Religionsgemeinschaft.

Für Politiker ist es womöglich noch schwerer, denn sie wollen gewählt werden. Sie sind gezwungen, auf Mehrheiten und Stimmungen zu achten.

Wenn ein Politiker dennoch bereit ist, bei seinen Standpunkten zu bleiben, auch wenn sie unpopulär sind – dann ist dies preiswürdig.

Und so freue ich mich sehr, sehr geehrter Herr Ramelow, dass Sie heute diese Auszeichnung der Union progressiver Juden erhalten.

Ich möchte der Laudatorin  nicht vorgreifen, doch ein paar Anmerkungen zum Preisträger liegen mir am Herzen.

Bekenntnisse zu Israel und zur deutschen Verantwortung für Israel sind in der deutschen Politik zum Glück nach wie vor die Regel. Allerdings füllen nicht alle Politiker ihre Worte gleichermaßen mit Leben aus. Bodo Ramelow gehört zu jenen, die sich aus Überzeugung und glaubwürdig für Israel einsetzen.

Nach seinem Amtsantritt als Ministerpräsident führte ihn 2015 seine erste Auslandsreise nach Israel. Er besuchte Israel – und nicht die palästinensischen Gebiete. So klare Prioritäten setzen andere deutsche Politiker nicht. Das brachte ihn auch nicht in die Verlegenheit eines Shake-Hands mit dem Palästinenserpräsidenten.

Erst jüngst hat Abbas mit seiner unsäglichen Äußerung über die angebliche jüdische Mitschuld an der Schoa mehr als deutlich gemacht, wes Geistes Kind er ist.

Mit großem Engagement fördert Herr Ramelow als Ministerpräsident auch das jüdische Leben in Thüringen. Er ist für unsere jüdischen Gemeinden ein verlässlicher Partner. Die Achava-Festspiele, deren Schirmherren wir beide sind, wären ohne das Engagement des Ministerpräsidenten nicht denkbar. Die Festspiele schlagen mit ihrem Programm jährlich eine Brücke zwischen den Religionen und sind damit sehr kostbar für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Und wenn Erfurt Kippa trägt und damit ein Zeichen der Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft setzt, dann ist auch Bodo Ramelow mit Kippa auf der Straße.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

dieses Engagement zeigt Herr Ramelow seit Jahren. Das ist keine Selbstverständlichkeit in der Politik. Denn nach meinem Eindruck gibt es in der Regel ein kurzzeitiges Aufflackern von Empörung nach einem antisemitischen Vorfall. Dann kehren alle zur Tagesordnung zurück. Sich aber nachhaltig gegen Antisemitismus, gegen Rechtsextremismus und für Israel einzusetzen, das ist selten und erfordert viel Kraft.

Diese bislang so häufig fehlende Beständigkeit war einer der Gründe, warum der Zentralrat der Juden die Berufung eines Antisemitismus-Beauftragten gefordert hatte. Wir sind sehr zuversichtlich, dass Felix Klein auf diesem Posten eine gute Arbeit leisten wird zum Wohle der jüdischen Gemeinschaft.

Denn, meine Damen und Herren,

auch wenn sich die ganz große öffentliche Erregung über den jüngsten antisemitischen Vorfall wieder gelegt hat: Antisemitismus ist Bestandteil dieser Gesellschaft und darf nicht weg-geredet werden. Wir haben es mit einer wachsenden Zahl von Rechtsextremisten zu tun. Wir haben es mit der AfD zu tun, die auf allen Ebenen dafür sorgt, dass rechtes Gedankengut salonfähig wird. Wir haben es mit einer radikalen verbalen Enthemmung in den sozialen Netzwerken zu tun. Und hinzukommen Migranten und Flüchtlinge, die mit Israel-Hass und Antisemitismus groß geworden sind.

Und schließlich findet sich in immer größeren Kreisen von der politischen Linken bis in die Mitte eine Abneigung gegen Israel, die häufig nichts anderes ist als verkappter Antisemitismus. Dieser Realität im Jahr 2018 müssen wir uns stellen.

In der jüdischen Gemeinschaft gibt es weiterhin eine große Bereitschaft, der Mehrheitsgesellschaft mit Offenheit zu begegnen. Wir pflegen sowohl den Austausch mit den Kirchen wie mit Teilen der muslimischen Verbände.

Doch unsere Offenheit kennt Grenzen, wenn unsere Sorgen als Befindlichkeiten abgewertet werden und wir uns nicht ernst genommen fühlen.

Nehmen Sie die Stimmung der jüdischen Gemeinschaft als Seismograph für den Zustand der Demokratie.

Bodo Ramelow hat dies längst erkannt. Und ich bin sehr froh, dass wir Politiker wie ihn an unserer Seite haben.

Die Bekämpfung des Antisemitismus sollte das Anliegen der ganzen Gesellschaft sein. Denn letztlich geht es nicht um die Zukunft jüdischen Lebens in Deutschland. Letztlich geht es um unser Land.

Lieber Herr Ramelow, im Namen des Zentralrats der Juden in Deutschland danke ich Ihnen für Ihr Engagement und gratuliere ganz herzlich zum Israel-Jacobson-Preis 2018!

 

 

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