Grußwort des Geschäftsführers Daniel Botmann zum 10jährigen Jubiläum



10 Jahre Scholars for Peace in the Middle East Deutschland – Warum Israel auch heute unsere Solidarität braucht

Anrede,

herzlich willkommen im Namen des Zentralrats der Juden in Deutschland. Ich freue mich, dass sich so viele von Ihnen die Zeit genommen haben, an der heutigen Veranstaltung teilzunehmen. Wenn ich mir das hochkarätig besetzte Tagungsprogramm so ansehe, bin ich sicher, Sie werden es nicht bereuen.

Meine Damen und Herren, folgende Zeilen werden Ihnen in der einen oder anderen Weise vielleicht bekannt vorkommen:

„Ob es regnet, ob es hagelt, ob es schneit oder ob es blitzt,
ob es dämmert, ob es donnert, ob du frierst oder ob du schwitzt, (…)

An allem sind die Juden schuld…!

Anmerkung am Rande: Das Wort Jude können Sie selbstverständlich - je nach Anlass - durch das Wort Israel ersetzen.

Dieses Zitat von Friedrich Hollaender aus der Revue: Spuk in der Villa Stern (1931) haben Esther Shapira und Georg M. Haffner ihrem lesenswerten Buch „Israel ist an allem Schuld“- Warum der Judenstaat so gehasst wird - vorangestellt.

Und wir alle, meine Damen und Herren, kennen diese Grundhaltung von Antisemiten jeglicher Couleur, die mal mehr oder weniger offen postuliert wird.

Jüdische Institutionen können hiervon ein Lied singen. Wann immer sich der Zentralrat der Juden z.B. öffentlich zu Themen positioniert – sei es wie jüngst zu Roger Waters und seinen BDS-Aktivitäten, sei es zu dem unerträglichen Urteil des Landgerichts Frankfurt, das die Klage eines israelischen Staatsbürgers auf Beförderung mit Kuwait Airways abgewiesen hat – der Judenhass der Antisemiten springt uns sofort wieder entgegen. Nur wenige Sekunden nach der Erklärung von US-Präsident Donald Trump vom Donnerstag dieser Woche, in der er Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt hat, war er wieder sichtbar, der ewig währende Hass auf Israel und die Juden.

Aber nicht nur im Netz tobt der Hass. Er manifestiert sich auch auf der Straße. Zum Beispiel, wenn Muslime offen für die Hamas und gegen Israel demonstrieren. Hass gegen Israel wird auch zelebriert, wenn der jährliche AlQuds-Tag unerträglicherweise noch immer über den Berliner Kurfürstendamm geleitet wird. (Aber meine Damen und Herren, wir arbeiten daran!)

Ein anderes Mal kann man antisemitische BDS-ler vor Geschäften vom angeblichen „Apartheidsregime“ Israel schwadronieren und zum Boykott israelischer Waren aufrufen hören.

Oder man darf diese Herrschaften, die nur allzu gern unter dem Label der „Meinungsfreiheit“ segeln, bei dem (erfreulicherweise gescheiterten) Versuch beobachten, ausgerechnet den Gedenktag des 9. November zu einem sogenannten „Tag gegen die Errichtung von Mauern“ und der sog. „Palästinasolidarität“ umzufunktionieren? Eine meiner Ansicht nach besonders perfide Aktion.

Meine Damen und Herren, wir müssen feststellen, dass der israelbezogene Antisemitismus zunehmend aggressiver wird. Das ist für Juden in Deutschland tagtäglich erfahrbar.

Zu diesem Schluss kommt auch der über 300 Seiten starke Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus. Demnach vertraten im vergangenen Jahr 40 Prozent der Menschen in Deutschland einen israelbezogenen Antisemitismus. Das ist bedrückend.

Bedrückend ist auch, dass wir immer wieder feststellen müssen, dass dieser Form des Antisemitismus durch eine inakzeptable und bestenfalls als fahrlässig zu bezeichnende Berichterstattung über Israel und den sogenannten „Nahost-Konflikt“ in den deutschen Medien der Boden bereitet wird.

Das ist z.B. der Fall, wenn wieder einmal in der Presse gemeldet wird: „Israelische Luftwaffe beschießt Ziele im Gazastreifen“. Die Titelzeile des Berichts unterschlägt allerdings, dass zuvor von dort aus Raketen auf israelisches Gebiet abgefeuert wurden. Beispiele einer solchen Berichterstattung finden sich zuhauf.

Auch im Fernsehen begegnen wir israelbezogenem Antisemitismus auf Schritt und Tritt:

Herausragendes Negativ-Beispiel aus jüngster Zeit ist die umstrittene Antisemitismus-Dokumentation des WDR mit dem Titel: „Auserwählt und ausgegrenzt: der Hass auf Juden in Europa.“

Man kann darüber, ob der Film das gestellte Thema voll erfasst hat, unterschiedlicher Auffassung sein. Aber der Versuch des WDR, mit Verweis auf angebliche handwerkliche Mängel den Film unter den Tisch fallen zu lassen, war ebenso inakzeptabel wie das schließlich gewählte hochnotpeinliche Sendeformat, in dem der Film schließlich gezeigt wurde, sowie die anschließende Diskussion darüber bei der Sendung „Maischberger“.

Ich erinnere an den sogenannten „Faktencheck“, die eingeblendeten „Standbilder“ und in Form von Laufbändern eingeblendeten „Warnungen“ vor dem Film, die den Eindruck erweckten als handele es sich um einen „Nazi-Propaganda-Film“ aus dem „Dritten Reich“.

Nein, meine Damen und Herren eine unvoreingenommene Berichterstattung sieht wahrlich anders aus.

Das „Nie wieder“ – meine Damen und Herren, ist auch heute keine Selbstverständlichkeit, und der Wunsch der nicht-jüdischen Mehrheitsgesellschaft, sich aus der Geschichte zu verabschieden, ist groß.

Wie groß, dass können wir derzeit nicht nur am Erstarken der AfD und ihrer weit an den rechten Rand dieser Gesellschaft ausfransendem Milieus betrachten. Wer gehofft hatte, dass ein Verbot der NPD das Problem des Rechtsextremismus würde lösen können, der kann nun sehen, wie die AfD mit ihrem völkischen Gedankengut auch Milieus der NPD mühelos schluckt und sich sogar in die Mitte der Gesellschaft voranfrisst.

Stück für Stück verschieben Rechtspopulisten und Rechtsextremisten die Grenzen des Sagbaren bis an den äußersten rechten Rand dieser Gesellschaft und darüber hinaus.

Wer ernsthaft meint, in diesem Milieu könnten Juden Unterstützung oder Solidarität erfahren, weil dort vereinzelt perfiderweise Israelflaggen geschwenkt werden, der könnte eines Tages bös erwachen. Für uns ist klar, dass AfD und deren Kohorten – aller Umarmungsversuche zum Trotz - in keinem Fall Bündnispartner für uns sein können.

Meine Damen und Herren, ich denke, wir alle hier sind uns darin einig, dass der Wind, der uns entgegenbläst, zunehmend rauer wird.

Aber ich möchte auch kein allzu schwarzes Bild zeichnen. Es gibt durchaus eine Vielzahl an Erfolgen zu verzeichnen. Wenn wir uns auch wünschen, dass sich manches schneller bewegt, so findet die jüdische Stimme in Deutschland doch Gehör, und ,meine Damen und Herren, es muss nicht immer gleich der Vorschlaghammer herausgeholt werden, um Dinge zu bewegen.

Manchmal ist es sinnvoller, stille Wege der Diplomatie zu wählen, statt den öffentlichen Skandal zu bemühen. Wie wir am besten agieren, ist je nach Sachlage stets aufs Neue zu entscheiden. Wichtig ist, dass wir reagieren.

Ich denke hierbei gerne an den Anti-BDS-Beschluss der kürzlich in München gefasst wurde, wonach BDS-Aktivisten und BDS-Veranstaltungen nicht in städtischen Räumen stattfinden dürfen und auch keine finanzielle Förderung erhalten. Berlin ist hier ebenfalls auf einem guten Weg – aber eben noch auf dem Weg.

Niemand sollte denken, dass nur etwas geschieht, wenn es in der Presse steht. Manchmal gibt es Wege, die zwar keinen öffentlichen Paukenschlag darstellen, aber letztlich effizienter und erfolgreicher in der Wirkung sind.

Hier hat jeder von uns, die wir uns für Israel und die Belange der jüdischen Gemeinschaft engagieren, seinen Platz, und jeder spielt eine wichtige Rolle.

Und dabei können Sie alle hier auf den Zentralrat der Juden in Deutschland zählen, und ich weiß, dass dies auch umgekehrt der Fall ist. Wir werden in unserem Engagement nicht nachlassen.

Meine Damen und Herren, wir sind heute hier aus Anlass des 10jährigen Jubiläums der deutschen Sektion der Scholars for Peace in the Middle East zusammengekommen.

Deshalb zum Schluss, aber nicht zuletzt meine herzlichsten Glückwünsche zu diesem runden Jubiläum!

Auf die nächsten 10 Jahre, ein herzliches Mazal Tov und uns allen in der gemeinsamen Arbeit viel Erfolg und Ihnen allen noch eine interessante Tagung!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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