Ich grüße Sie sehr herzlich aus Würzburg und hätte heute gerne weniger Abstand gehalten. Lieber wäre ich nach Berlin gekommen. Doch leider haben wir Covid 19 noch nicht besiegt und müssen den Mindestabstand einhalten.
Ich hatte mir für das Frühjahr 2021 etwas Anderes erhofft. Vor allem hatte ich gehofft, dass wir solche Bilder wie jüngst aus Leipzig, Kassel und Stuttgart nicht mehr sehen müssen. Stattdessen verstärkt sich leider der Eindruck, dass sich die Demos gegen die Corona-Maßnahmen immer weiter radikalisieren und immer mehr gewaltbereite Demonstranten darunter sind.
Nach einem Jahr Pandemie steht für mich fest: Die Langzeitfolgen werden uns noch intensiv beschäftigen. Da ich von Hause aus Mediziner bin, machen mir zum einen die gesundheitlichen Langzeitfolgen bei den Corona-Patienten Sorgen. Hier können wir noch gar nicht absehen, was in medizinischer Hinsicht auf uns zukommt.
Zum anderen werden wir auch noch lange mit den wirtschaftlichen Schäden zu kämpfen haben, die die Pandemie angerichtet hat.
Doch vor allen Dingen geht es um die gesellschaftlichen Langzeitfolgen, um die Verwerfungen, die die Pandemie erzeugt hat.
Die Netzwerke, die in dieser Zeit zwischen Corona-Leugnern, Impf-Gegnern und Rechtsradikalen entstanden sind, besorgen mich zutiefst.
Daher kommt das Buch von Heike Kleffner und Matthias Meisner zum richtigen Zeitpunkt. Und ich habe sehr gerne dafür das Vorwort geschrieben.
Wir müssen einen genauen Blick auf das werfen, was am Fundament unserer Demokratie nagt.
Denn wenn die Corona-Pandemie im Griff ist, gilt es nicht nur, sich das alte Leben zurückzuerobern. In gewisser Weise müssen wir auch die Demokratie zurückerobern.
Ich denke, spätestens nach der Bundestagswahl wäre in den politischen Institutionen eine selbstkritische Auswertung ihrer Arbeit seit März 2020 angebracht.
Und wie steht es um die Zivilgesellschaft? Haben sich hier nachhaltige Strukturen entwickelt, in denen gegen unseren Staat gearbeitet wird?
Viele Autoren in dem Buch, das wir heute präsentieren, beleuchten genau diese Fragen. Sie geben damit den notwendigen Anstoß für die politische Aufarbeitung der Corona-Krise.
Diese Aufarbeitung ist für unsere Zukunft entscheidend. Denn die demokratischen Werte müssen neu belebt werden. Und die radikalen Kräfte müssen zurückgedrängt werden.
Wenn wir aus gesundheitlichen Gründen keinen Abstand mehr zu unseren Mitmenschen einhalten müssen, so brauchen wir dringender denn je einen maximalen Abstand zu Extremisten.
In diesem Sinne wünsche ich dem Buch „Fehlender Mindestabstand“ viele Leser und bedanke mich bei allen Mitwirkenden und dem Herder-Verlag!