Die „Denkfabrik Schalom Aleikum“ vom Zentralrat der Juden in Deutschland lud gestern, am 20. März, zu einem Podiumsgespräch in das BORUSSEUM in Dortmund ein. Unter dem Titel „Elefanten im digitalen Raum. Die sozialen Medien als Grenzbereich“ sprachen die Teilnehmenden des Podiums über die Auswirkungen des 7. Oktobers auf den interreligiösen Austausch in Deutschland und den Auftrieb von Hassrede im Netz.
Die Co-Geschäftsführerin der HateAid gGmbH Josephine Ballon moderierte den Abend. Zunächst richteten der Präsident von Borussia Dortmund Dr. Reinhold Lunow und Grigory Rabinovich, Präsidiumsmitglied im Zentralrat der Juden in Deutschland, Grußworte an die Gäste, in denen sie die prekäre Lage des interreligiösen Dialogs und die Relevanz eines offenen Austauschs hervorhoben. Herr Rabinovich stellte mit Blick auf das Thema der Veranstaltung fest: „Seit dem 7. Oktober ist nichts mehr so wie es einmal war.“
Auf dem anschließenden Podium diskutierten Stephan Anpalagan (Geschäftsführer „Demokratie in Arbeit“ gGmbH), Anna Ben-Shlomo (Koordinatorin bei SCHLAU Dortmund) und Elvedin Goljica (Stellv. Bundesvorsitzender des muslimischen Jugendwerks in Dortmund).
Die Podiumsteilnehmenden stimmten überein, dass die sozialen Medien als Plattform für Hass und Pauschalisierungen gegenüber Juden und Muslimen Fluch und andererseits Segen seien. Die Freiheit, die das Internet durch seine Reichweite biete, lade zum Missbrauch ein, indem es Rechtsfreiheit suggeriere. Um diesen Eindruck zu entkräften, müsse die Ahndung von rechtswidrigen Inhalten durch die Betreiber der Plattformen sowie die Strafverfolgungsbehörden konsequent fortgesetzt werden. Der 7. Oktober wurde als Brandbeschleuniger für Antisemitismus auch im digitalen Raum wahrgenommen, während Muslimen gleichzeitig und kollektiv die Schuld zugeschrieben werde. Diese parallele Entwicklung bekräftigte den Wunsch des Podiums nach Gesprächen und Verbindendem anstelle eines gegenseitigen Ausspielens sowie nach einer stärkeren gesellschaftlichen und interreligiösen Auseinandersetzung mit dem Christentum. Trotz der kritischen Worte gegenüber den Plattformen und der dort verbreiteten Worte stellte Stephan Anpalagan fest: „Ich will nicht zurück in die 90er Jahre, wo migrantische und jüdische Stimmen nicht die Reichweite hatten wie heute.“ Dem fügte Anna Ben-Shlomo hinzu: „Das Leben ohne Social Media ist nicht mehr vorstellbar. Dort findet das Leben statt.“
Die Podiumsteilnehmenden appellierten weiterhin an eine stärkere Auseinandersetzung mit den Algorithmen, um sachliche und politische Inhalte zu fördern. „Netzbetreiber tun zu wenig,“ sagte Elvedin Goljica und nahm die Plattformen in die Pflicht, nicht nur Lippenbekenntnisse auszusprechen. Die derzeitige Bildungsarbeit wurde kritisch angesprochen, bspw. anhand der fehlenden Vermittlung eines Medienbewusstseins aber auch von Grundkompetenzen wie dem kritischen Hinterfragen von Inhalten. Insgesamt stellte das Podium geschlossen fest, dass das digitale Miteinander eine unerlässliche Herausforderung darstelle, die nach dem Terroranschlag der Hamas einen Einschnitt in das private Umfeld aller Teilnehmenden und der deutschen Öffentlichkeit formte.
Die „Denkfabrik Schalom Aleikum" wird von der Staatsministerin (beim Bundeskanzler) und Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration sowie Beauftragten der Bundesregierung für Antirassismus Reem Alabali-Radovan gefördert. Rückfragen beantworten wir Ihnen gerne unter: denkfabrik-schalom-aleikum@zentralratderjuden.de
Dortmund, 21. März 2024 / 11. Adar II 5784