Digitale Rekonstruktion zerstörter Synagogen



World Jewish Congress (WJC), Zentralrat der Juden in Deutschland und Israelitische Religionsgesellschaft in Österreich gedenken der Kristallnacht mit digitalen Rekonstruktionen zerstörter Synagogen in Deutschland und Österreich

Quelle: Jüdische Allgemeine

[03. November 2024] Berlin, Wien, New York – Anlässlich des 85. Jahrestages der Kristallnacht vom 9. November 1938 werden einige zerstörte Synagogen für einen Tag wieder neu erstrahlen. Der WJC zeigt in Kooperation mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland und der Israelitischen Religionsgesellschaft in Österreich in mehreren Städten in Deutschland und Österreich digitale Rekonstruktionen der Synagogen. Zusätzlich ermöglichen Virtual Reality-Brillen an einigen Standorten einen virtuellen Rundgang.
Ronald S. Lauder, Präsident des WJC: „Während wir der Reichskristallnacht vor 85 Jahren gedenken, erinnern uns die Schatten der Vergangenheit an das Gebot, die Geschichte durch Gedenken zu erhalten, insbesondere in einer Zeit, in der sich nach der Terrorwelle der Hamas gegen Israel jüdische Gemeinden weltweit mit wiederaufflammendem Judenhass konfrontiert sehen. Dieser Anschlag, der mehr als 1.400 jüdische Menschenleben forderte, ist der verheerendste seit dem Holocaust und mahnt, wie wichtig es ist, zu erinnern und aufzuklären. Mit Initiativen wie den digitalen Rekonstruktionen von Synagogen ehren wir nicht nur die Erinnerung an das, was verloren wurde, sondern bekräftigen auch unsere Entschlossenheit, der Flut des Hasses und der Bigotterie etwas entgegenzusetzen. So wollen wir dafür sorgen, dass der Satz 'Nie wieder' über bloße Worte hinausgeht und zu einer unerschütterlichen Verpflichtung wird, das Leben und die Würde der Juden überall und immer zu schützen.“
Die Initiative des WJC als Teil der #WeRemember Kampagne schafft durch Virtual Reality moderne Formate der Erinnerungskultur und gibt einen realen Einblick in das vielfältige jüdische Leben in Deutschland und Österreich, das von den Nationalsozialisten ausgelöscht wurde. Bildprojektionen der digital rekonstruierten Synagogen wurden mit der TU Darmstadt und der Universität Wien entwickelt und sind auf Haus- und Leinwänden zu sehen, wo einst die Synagogen standen. Die Schirmherrschaft haben in diesem Jahr die Präsidentin des Deutschen Bundestages, Bärbel Bas, sowie der Präsident des Österreichischen Nationalrates Wolfgang Ernst Sobotka übernommen.
"Wir tragen Verantwortung, entschlossen gegen jede Form von Antisemitismus aufzustehen. Wir müssen alles tun, damit Jüdinnen und Juden sicher sind und ihre Kultur offen und ohne Angst pflegen können. Die digital rekonstruierten Synagogen zeigen, was auf dem Spiel steht“, kommentiert die Präsidentin des Deutschen Bundestages Bärbel Bas.
„Es ist unsere Aufgabe, auf unsere leidvolle Geschichte und auf historische Siedepunkte, wie die Nacht des 9. Novembers 1938, genau hinzusehen und die Fakten zu benennen. Die Geschehnisse jener Tage haben das Schicksal von Hunderttausenden Jüdinnen und Juden verändert, und damit auch das Erscheinungsbild unserer Städte und unseres Landes. Die Synagogen, einst stolze Symbole jüdischer Kultur und Spiritualität, wurden zerstört. Die Straßen, auf denen Jüdinnen und Juden lebten und Geschäfte betrieben, lagen in Trümmern. Heute gedenken wir den Opfern der Opfer und erinnern an die Geschichte, damit sich solche Gräueltaten nie mehr wiederholen. Es ist unsere Verantwortung, vereint gegen Terror und seine Wurzeln einzutreten. Antisemitismus ist antidemokratisch. Es liegt daher gerade am Parlament, entschlossen dagegen vorzugehen und jüdischem Leben Sichtbarkeit zu verleihen“ sagt der Präsident des Österreichischen Nationalrats Wolfgang Ernst Sobotka anlässlich des Gedenktages.
„Synagogen sind Orte der Zusammenkunft. Mit ihrer systematischen Zerstörung am 9. Novembervor 85 Jahren haben die Nationalsozialisten gezielt mit der Vernichtung jüdischen Lebens begonnen. Das Projekt des WJC zeigt auf, welch große Bedeutung Synagogen auch im Stadtbild hatten und damit die Selbstverständlichkeit jüdischen Lebens in Deutschland symbolisierten. Wir gedenken damit auch an die Opfer des Novemberpogroms und der Schoa. Gerade in diesen Zeiten, in denen Judenhass und Israelfeindlichkeit wieder um sich greift und in denen auch Synagogen und jüdische Geschäfte Ziel von Attacken sind, braucht es aber auch Zeichen des Muts, der Zuversicht und des Zusammenhalts. Hierfür stehen die in diesem Jahr fertiggestellten neuen Synagogen in Deutschland, in Dessau und Magdeburg“, sagt der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster.
Bei dem Gedenken geht es in diesem Jahr auch um ein sichtbares Zeichen gegen die aktuelle Bedrohung jüdischen Lebens. Seit den Terrorattacken der Hamas am 7. Oktober auf Israel und der Eskalation des Nahostkonflikts haben antisemitische Vorfälle deutlich zugenommen. Zusätzlich zu den Projektionen der digital rekonstruierten Synagogen ruft die jüdische Jugend Wien zu einem Gedenkmarsch „Light of Hope“ gegen das Vergessen auf.
„Es brauche – andere Formen und Formate, mit denen wir Gedenktage und Erinnerungstage lebendig und für die Gegenwart bedeutsam machen können“, sagt die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern und WJC Commissioner für Holocaustgedenken Charlotte Knobloch.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland hält in Anwesenheit von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz eine Gedenkveranstaltung in der Berliner Synagoge Kahal Adass Jisroel in der Brunnenstraße ab, die kürzlich Ziel eines antisemitischen Angriffs war. Die Synagoge, die die Kristallnacht schwer beschädigt überstand, wurde mit Unterstützung der Ronald S. Lauder Foundation wieder aufgebaut.
"Dieses Jahr begehen wir wohl das traurigste Gedenken an die Novemberpogrome vor 85 Jahren. Heute muss jedem Menschen klar sein, dass die Worte "Nie wieder" aktueller denn je sind. Nach dem schlimmsten Massaker an Jüdinnen und Juden seit der Shoah ist es unsere Pflicht geschlossen, gegen diese Barbarei zu stehen und die Geiseln aus den Fängen der Terroristen zu befreien. Die Rekonstruktionen der zerstörten Synagogen erinnern uns an das einst blühende jüdische Leben in Wien, das durch den antisemitischen Wahn zerstört wurde. Gemeinsam müssen wir alles tun, um unsere Gesellschaft vor dem Geschwür des Antisemitismus zu schützen und den Zusammenhalt zu stärken. Diesen Auftrag haben wir jeden Tag für unsere offene und vielfältige Demokratie", sagt der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Oskar Deutsch.
„Der World Jewish Congress und der Zentralrat der Juden in Deutschland machen mit ihrem Erinnerungsprojekt die Zerstörungen in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 erfahrbar. Niemand stellte sich denjenigen entgegen, die Synagogen anzündeten, Jüdinnen und Juden demütigten und misshandelten, ihre Geschäfte und Wohnungen zerstörten. Auch heute werden in Deutschland Jüdinnen und Juden eingeschüchtert, bedroht, angegriffen. Sich diesem Hass und dieser Menschenfeindlichkeit entgegenzustellen und die jüdische Gemeinschaft vor Gewalt und Anfeindungen zu schützen, ist die gemeinsame Aufgabe und Pflicht von Staat und Gesellschaft. Die virtuell rekonstruierten Synagogen führen uns einen Teil dessen vor Augen, was wir verloren haben und nie wieder preisgeben dürfen – die Integrität unseres Rechtsstaates, unserer Demokratie, und nicht zuletzt unsere Menschlichkeit,“ kommentiert die Bundesinnenministerin Nancy Faeser.
Vor 85 Jahren veranlassten die Nationalsozialisten Pogrome gegen jüdische Bevölkerungszentren in Deutschland, Österreich und dem Sudetenland in der ehemaligen Tschechoslowakei. Geschäfte, Synagogen, Friedhöfe und Wohnungen von Juden wurden geplündert, zerstört und niedergebrannt. Rund 300 Synagogen wurden vor den Augen der Bevölkerung in Schutt und Asche gelegt. Mehr als 7.500 Geschäfte wurden zerstört, unzählige Jüdinnen und Juden festgenommen und ermordet. In den Wochen danach erließen die Nationalsozialisten Gesetze und Verordnungen, um den Juden weiter ihr Eigentum und ihre Lebensgrundlage zu entziehen. Der 9. November 1938 beschleunigte die Vernichtungspläne der Nationalsozialisten.

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