„70 Jahre Reichspogromnacht – Eine ganze Stadt gedenkt“



Charlotte Knobloch Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland und Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern

Vor 70 Jahren begann mit der Reichspogromnacht das unvorstellbare Unheil für das deutsche und europäische Judentum. Am 9. November 1938 hetzte im Alten Münchner Rathaussaal der ranghohe Naziverbrecher Goebbels mit antisemitischen Hassparolen die Massen auf. Er rief zu Brandstiftungen und zur Zerstörung jüdischen Eigentums auf. In der Nacht vom 9. auf den 10. November wurden fast alle Synagogen Deutschlands verbrannt oder zerstört, Geschäfte geplündert, Wohnungen verwüstet, jüdische Bürger misshandelt, mit Füßen getreten und verhaftet. Die Reichpogromnacht markierte den Übergang von der Diskriminierung und Ausgrenzung jüdischer Deutscher hin zur systematischen Verfolgung und gezielten Ermordung wehrloser Kinder, Frauen und Männer.

1910 lebten in München noch 11.000 jüdische Bürger, im Jahr 1945 gab es 84 Überlebende. 4587 jüdische Münchner wurden von den NS-Verbrechern deportiert und in den Konzentrationslagern umgebracht.

An die 4587 jüdischen Bürger Münchens, die von den NS-Verbrechern ermordet wurden, wird jedes Jahr am 9. November am Gedenkstein der ehemaligen Münchner Hauptsynagoge in der Herzog-Max-Straße gedacht. Durch das Verlesen ihrer Namen erhalten die Namenslosen wieder ein Gesicht und eine Geschichte. Die zehnte Namenslesung am 70. Jahrestag der Reichspogromnacht, die unter dem Motto „Jeder Mensch hat einen Namen – Eine ganze Stadt gedenkt" steht, erreicht eine neue, einmalige Dimension.

Die Arbeitsgruppe „9. November", der insbesondere die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern und die Vereinigung „Gegen Vergessen – Für Demokratie" angehören, organisiert erstmals gemeinsam mit allen 25 Münchner Bezirksausschüssen Namenslesungen in allen Stadtteilen. Das gab es noch nie. Weder in München, noch in ganz Deutschland.

Prominente aus Kultur und Gesellschaft, Bürger aller Bezirke, darunter auch viele Schüler, haben sich bereit erklärt, die Namen der Opfer zu verlesen. Eine ganze Stadt gedenkt am 9. November zwischen 8:00 Uhr und 17:00 Uhr, zu jeweils unterschiedlichen Zeiten. Im Anschluss daran finden die offiziellen Gedenkfeiern im Alten Rathaussaal und in der Münchner Hauptsynagoge „Ohel Jakob" statt.

Die Namenslesungen am 9. November setzen ein Zeichen gegen Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus. Da der Antisemitismus nicht nur bei den rechtsextremistischen Banden zu finden ist, sondern mitten in der Gesellschaft angekommen ist, appelliere ich an alle Bürger dieser Stadt und dieses Landes, ein klares Bekenntnis für Demokratie und Toleranz abzugeben. Der 9. November ist ein symbolträchtiger Tag, an dem jeder Bürger zeigen kann, dass München, aber auch ganz Deutschland bunt und nicht braun ist.

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