Grußwort Gedenkveranstaltung Olympia-Attentat, 05. September 2022, Fürstenfeldbruck
Anrede,
ich erinnere mich gut an den September 1972. Eine meiner prägendsten Erinnerungen ist dabei eine Begegnung bei Kaffee und Kuchen.
In den ersten Septembertagen 1972 waren einige der israelischen Sportler zu Besuch in meiner Heimatgemeinde in Würzburg gewesen. Ich saß als 18-jähriger mit ihnen am Tisch und genoss den Kuchen und das olympische Fieber. Es hätte als wunderbare Begegnung aus Jugendtagen so in Erinnerung bleiben können.
Doch es kam anders. Nur wenige Tage später schmeckte die Erinnerung an den Kaffee und den Kuchen schal. Einige der Menschen, die eben noch neben mir gesessen hatten, waren nun tot. Ermordet hier in Fürstenfeldbruck, nachdem sie zuvor auf grausame Weise von palästinensischen Terroristen in Geiselhaft gehalten worden waren. Der Versuch der Geiselbefreiung war ein vollkommener Fehlschlag.
Die Schüsse und Explosionen waren bis weit in die Stadtmitte hörbar, wie mir einer meiner Mitarbeiter, der aus Fürstenfeldbruck kommt, aus den Erzählungen seiner Verwandtschaft berichtete.
David Mark Berger, sel. A., Zeev Friedman, sel. A, Yossef Gutfreund, sel. A, Eliezer Halfin, sel. A, Josef Romano, sel. A, André Spitzer, sel. A, Amitzur Schapira, sel. A, Kehat Shorr, sel. A, Mark Slavin, sel. A, Yakov Springer, sel. A, Mosche Weinberg, sel. A, und der Polizist Anton Fliegerbauer starben, weil die Sicherheitsbehörden auf allen Ebenen versagten.
Es ist zynisch. Die Bundesrepublik war so sehr bemüht ein anderes Gesicht als das von 1936 zu zeigen. Doch am Ende waren die Spiele, die so heiter begannen, für Juden am Ende wieder unerträglich düster. 27 Jahre nach der Schoa, die einige der Ermordeten, bzw. deren Eltern, noch überlebt hatten, gab es wieder ein Massaker an Juden in Deutschland.
Diesmal nicht ausgeführt von Nazis, sondern von fanatischen Palästinensern. 1972 war dabei nicht der erste Terroranschlag gewesen, der Israelis zum Ziel hatte. Seit 1968 hatte es diverse Attentate vor allem auf El-Al Maschinen gegeben. 1970 befanden sich zwischenzeitlich 750 Passagiere aus westlichen Ländern in der Hand palästinensischer Terroristen.
Und trotzdem konnten oder wollten die deutschen Sicherheitsbehörden die israelische Mannschaft nicht besser beschützen.
Vielleicht auch, weil sich niemand die Wirkmacht des Antisemitismus vorstellen konnte. Eine Wirkmacht so stark, dass sie Neonazis, RAF-Mitglieder und Palästinenser dazu brachte gegen das gemeinsame Feindbild, die Juden, zu kooperieren.
In dem Zusammenhang finde ich es unerträglich, dass bei der documenta15 noch bis zum 25. September dieser mörderische Hass auf Juden bei den „Tokyo Reels“ ungefiltert und affirmativ reproduziert wird. Die Macher lassen Propagandamaterial linker und palästinensischer Terrororganisationen unkommentiert in Dauerschleife laufen. Insofern sollte man nicht unbedingt glauben, dass man heute durchgehend viel weiter ist in der Beurteilung von Antisemitismus.
Wie genau es zu dem Attentat kommen konnte, wird wohl in Gänze nie geklärt werden können. Dass die deutschen Behörden in Sachen Transparenz ein weiteres unrühmliches Kapitel schrieben, gehört zur Wahrheit dazu. Anstatt für Aufklärung zu sorgen, Dokumente und Archive freizugeben, entschlossen sich die Verantwortlichen zu vertuschen und zu mauern.
Dass die politische Führung der Palästinenser, die in Teilen noch ihre Wurzeln im Terrorismus hat, sich bis heute nicht von dem Attentat distanziert, steht auf einer anderen Seite.
Ich freue mich sehr, dass Sie, die Hinterbliebenen, trotz allem doch noch zu der heutigen Zeremonie gekommen sind. Diese Einigung ist ein wichtiges Zeichen. Die Fehler und Unzulänglichkeiten, die von deutscher Seite aus gemacht wurden, können und sollen nicht vergessen werden. Aber es ist anzuerkennen, dass sich die politisch Verantwortlichen der Gegenwart der Verantwortung und den Fehlern der Vergangenheit gestellt haben.
Das wir hier und heute gemeinsam gedenken, stimmt mich hoffnungsfroh.
Vielen Dank!