Von Komitees in Besatzungszonen zum zentralen Dachverband

DIE GESCHICHTE DES ZENTRALRATS DER JUDEN IN DEUTSCHLAND

Von der Interessenvertretung auf Zeit zum zentralen Dachverband der jüdischen Gemeinden in Deutschland: Die Geschichte des Zentralrats spiegelt auch die wechselvolle Geschichte der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland nach der Schoa wider.

Bereits zwei Monate nach der Befreiung Deutschlands durch die Alliierten und der Kapitulation Nazideutschlands formierte sich das Zentralkomitee der befreiten Juden in der amerikanischen Zone, eine der Keimzellen des fünf Jahre später gegründeten Zentralrats.

Ähnliche Zusammenschlüsse folgten in den anderen Besatzungszonen. 1945 wurden insgesamt 51 Gemeinden wiedergegründet; ein Jahr später gab es bereits 67 jüdische Gemeinden.

Gründung in Frankfurt am Main

Am 19. Juli 1950 gründete sich in Frankfurt am Main der Zentralrat der Juden in Deutschland. Zur konstituierenden Sitzung waren Delegierte der wiedererstandenen jüdischen Gemeinden in den vier Besatzungszonen gekommen, die unter US-amerikanischer, britischer, französischer und sowjetischer Verwaltung standen. Es sollte eine Interessenvertretung während der Übergangszeit bis zur endgültigen Ausreise sein. Zu diesem Zeitpunkt lebten im Nachkriegsdeutschland rund 15 000 Juden. Zu den Überlebenden stießen in den ersten Nachkriegsjahren die Remigranten, die aus dem Exil in ihre alte Heimat zurückgekehrt waren – eine Entscheidung, die in der internationalen jüdischen Gemeinschaft äußerst umstritten war.

Zwischenstation oder Perspektive?

Dazu kamen rund 200 000 Juden aus Osteuropa, die nicht mehr in ihre alte Heimat zurückkehren konnten oder wollten – sogenannte Displaced Persons (DPs). Deren Zahl stieg noch, als nach Pogromen in Polen viele dort lebende Juden auswanderten. Die Mehrheit dieser Flüchtlinge begriff Deutschland jedoch nur als eine Zwischenstation auf der Ausreise nach Eretz Israel. Die jüdischen Gemeinden in diesen Jahren wurden als „Liquidationsgemeinden" verstanden, als „Gemeinden in Abwicklung". Aus dem Übergang wurde jedoch für eine nicht unerhebliche Gruppe eine neue Lebensperspektive – aus unterschiedlichen Gründen: Langsam wurden die gepackten Koffer für die Emigration ausgepackt. In den Nachkriegsjahren blieb die Zahl der jüdischen Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland relativ konstant – circa 26 000 Gemeindemitglieder bildeten rund 50 Gemeinden.

Juden in der DDR

In der DDR lebten laut offiziellen Angaben knapp 500 Jüdinnen und Juden, die in fünf jüdischen Gemeinden zusammengeschlossen waren. Diese fünf Verbände wurden im Dezember 1990 in den Zentralrat der Juden in Deutschland aufgenommen.

Bereits kurz nach der Befreiung Berlins durch die Sowjetarmee waren die ersten Juden in die damalige Sowjetische Besatzungszone (SBZ) zurückgekehrt. Viele dieser Rückkehrer wollten mithelfen, ihren Traum von einer sozialistischen Gesellschaftsordnung in Deutschland zu verwirklichen. Allerdings gerieten schon sehr früh bekennende Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Konflikt mit der sowjetischen Besatzungsmacht. Die Situation verschärfte sich Anfang der 1950er-Jahre in der 1949 gegründeten Deutschen Demokratischen Republik, als im Rahmen einer „Säuberungskampagne“ in der Sowjetunion Juden als „Konterrevolutionäre“ und „zionistische Agenten“ verfolgt wurden. Viele Juden flohen aufgrund der Repression daraufhin aus der DDR in die Bundesrepublik.

Nach dem Tod des Parteiführers der KPdSU, Josef Stalin, am 5. März 1953 endete die Diskriminierung der Juden in der DDR. Polizeiaktionen und Verfolgungen wurden eingestellt, inhaftierte Gemeindemitglieder freigelassen und die Mehrheit der jüdischen Ex-Parteimitglieder rehabilitiert. Die zahlenmäßig kleiner gewordenen Gemeinden erhielten Zahlungen für die Erneuerung der Synagogen, zum Unterhalt eines Altersheims, einer koscheren Metzgerei und für die Instandhaltung des jüdischen Friedhofs in Berlin-Weißensee. Seit 1961 erschien das „Nachrichtenblatt der Jüdischen Gemeinde von Berlin und des Verbandes der Jüdischen Gemeinden in der Deutschen Demokratischen Republik“ als Informationsorgan der Jüdischen Gemeinde in der DDR.

In den 1980er-Jahren öffnete sich die DDR-Führung weiter, ohne allerdings die weiterhin antisemitische Vorurteile transportierende israelfeindliche Propaganda einzustellen. Und erst nach der Wende bekannte sich die neue de-Maizière-Regierung „zur Mitverantwortung für Demütigung, Vertreibung und Ermordung jüdischer Frauen, Männer und Kinder“ und „zu dieser ,Last der deutschen Geschichte‘“.

1989 zählten die fünf jüdischen Gemeinden in der DDR rund 400 Mitglieder, die Mehrzahl, etwa 250, lebte in Ostberlin. Diese Gemeinden wurden 1990 als Mitglieder in den Zentralrat aufgenommen.

Umzug nach Berlin

Seit dem 1. April 1999 befindet sich die Verwaltung des Zentralrats der Juden in Deutschland in der neuen Bundeshauptstadt Berlin. Im Jahre 2000 feierte der Zentralrat der Juden in Deutschland sein 50-jähriges Bestehen. Derzeit gehören dem Zentralrat 105 jüdische Gemeinden mit rund 100 000 Mitgliedern an.