Gemeinsame Presseerklärung Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubgut
19. September 2025
Presseerklärung

Gemeinsame Presseerklärung Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubgut

Foto © BKM/bundesfoto/Ole Heinrich / DEU / Berlin / 2025 / Auswahlausschuss NS-Raubgut, StM Wolfram Weimer, Bundeskanzleramt

Berlin, 19. September 2025

Meilenstein auf dem Weg zur Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubgut: Ausschuss verständigt sich im Kanzleramt auf Schiedsrichterverzeichnis und Präsidium

Auf dem Weg zur Einrichtung der neuen Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubgut hat der Auswahlausschuss gestern ein Verzeichnis von 36 Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern aufgestellt sowie das Präsidium benannt.

Das Präsidium der Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubgut wird mit Frau Dr. Elisabeth Steiner und Herrn Peter Müller als Doppelspitze besetzt. Als Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter wurden für einen Zeitraum von fünf Jahren ausgewählt (in alphabetischer Reihenfolge): Dr. Julia Bešlin, Prof. Dr. Magnus Brechtken, Prof. Dr. Stephan Breidenbach, Prof. Dr. Michael Brenner, Dr. Annette Brockmöller, Peter Clausen, Helmut Dedy, Dr. Axel Drecoll, Dr. Caroline Flick, Nathan Gelbart, Prof. Dr. Beate Gsell, Prof. Dr. Isabel Heinemann, Dr. Hans-Joachim Heßler, Dr. Anja Heuß, Prof. Dr. Christiane Kuller, Prof. Dr. Benjamin Lahusen, Dr. Sophie Lillie, Uwe Lübking, Dr. Jürgen Matthäus, François Moyse, Peter Müller, Daniel Neumann, David Nossen, Dr. Julien von Reitzenstein, Sebastian Remelé, Dr. Jan-Robert von Renesse, Doron Rubin, Prof. Dr. Leo Schapiro, Gudrun Schäpers, Dr. Iris Schmeisser, Dr. Elisabeth Steiner, Prof. Dr. Natan Sznaider, Dr. Katja Terlau, Prof. Dr. Christian Waldhoff, Dr. Avraham Weber, Johanna Werner.

Dem Auswahlausschuss gehörten jeweils zwei Vertreterinnen und Vertreter des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände an sowie jeweils drei Vertreterinnen und Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland und der Claims Conference. Die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubgut wird zum 1. Dezember 2025 die Beratende Kommission ablösen.

Die Einrichtung der Schiedsgerichtsbarkeit ist ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Rückgabe von NS-Raubgut. Damit wird eine von mehreren Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. Hierzu gehört nach der Einführung der Schiedsgerichtsbarkeit die Schaffung eines wirksamen Restitutionsgesetzes, um zu einer befriedenden und rechtssicheren Lösung für offene NS-Raubgut Fälle zu kommen.

Staatsminister für Kultur und Medien Wolfram Weimer erklärt: „Mit den Entscheidungen haben wir den letzten großen Schritt zur Einrichtung der Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubgut getan – gemeinsam mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland und der Claims Conference. Dafür bin ich besonders dankbar. Aus tiefem Respekt vor den Opfern und ihren Familien – denen unter der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten Besitz, Freiheit und Leben geraubt wurden – erwächst Deutschlands bleibende Verpflichtung, zu der sich die Bundesregierung bekennt. Die Einrichtung der neuen Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubgut bringt neue Bewegung in die Aufarbeitung historischen Unrechts. Mit der einseitigen Anrufbarkeit erhalten Opfer und ihre Rechtsnachfolgenden erstmals einen leichteren Zugang zu einem Verfahren mit verbindlichen Entscheidungen und einer erleichterten Beweisführung. Mein Dank gilt auch den herausragenden Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern für ihre Bereitschaft und ihr Engagement, gerechte und faire Lösungen im Sinne der Washingtoner Prinzipien möglich zu machen.“

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Dr. Josef Schuster sagt: „Die Benennung der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter ist ein entscheidender Markstein. Gemeinsam mit Bund, Ländern, Kommunen und der Claims Conference haben wir eine hochkarätige und paritätische Besetzung der Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubgut erreicht. Dieses Gremium wird künftig mit Ernsthaftigkeit und Professionalität über Restitutionsfragen entscheiden. Nichtsdestotrotz brauchen wir ein bindendes Restitutionsgesetz, das auch nicht-staatliche Halter von Kulturobjekten verpflichtet, Restitutionsansprüche prüfen zu lassen. Selbstverpflichtungen reichen hier nicht aus. Andere europäische Länder sind da schon weiter.“

Der Repräsentant der Claims Conference in Europa Rüdiger Mahlo: „Wir begrüßen die gestrige Entscheidung als ein wichtiges Signal für Überlebende, ihre Familien und Erben weltweit. Nach Jahrzehnten des Wartens können sie nun endlich beginnen, ihre Restitutionsansprüche aus eigener Initiative voranzubringen. Die Lösung aller noch offenen Fälle kann jedoch nur durch ein Restitutionsgesetz erreicht werden. Das ist der logische nächste Schritt, der jetzt folgen muss.“

Als Vertreter der Länder sagt der Hessische Minister für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur, Timon Gremmels: „Die Rückgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit. Für ein demokratisches Deutschland ist sie ein unabdingbarer Schritt zur Aufarbeitung der eigenen Geschichte. Mit der neuen Schiedsgerichtsbarkeit schaffen wir ein Verfahren, das verbindliche Entscheidungen ermöglicht und den Opfern sowie ihren Nachkommen endlich Sicherheit und Anerkennung bietet. Kein öffentliches Haus soll sich künftig der Aufarbeitung der eigenen Sammlung verschließen können – das ist unser gemeinsames kulturpolitisches Versprechen.“

Als weiterer Vertreter der Länder ergänzt der Bayerische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst Markus Blume: „Wir stehen kurz vor Beginn einer neuen Ära bei der Rückgabe von NS-Raubgut. Mit der einstimmigen Wahl der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter ist ein letzter großer Meilenstein für die Einrichtung der Schiedsgerichtsbarkeit als neuem rechtsverbindlichen Verfahren gesetzt. Die paritätische Besetzung des Gerichts durch Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam mit dem Zentralrat der Juden und der Claims Conference ist ein starkes Zeichen der Geschlossenheit. Die gewählten 36 Mitglieder sind erfahrene und hochqualifizierte Persönlichkeiten aus den Bereichen Rechts- und Geschichtswissenschaften sowie Kunstgeschichte. Diese breite Aufstellung garantiert eine differenzierte Bewertung der juristischen und historischen Aspekte sowie eine gerechte und faire Entscheidungsfindung. Unser Ziel ist klar: Tempo machen, Vertrauen schaffen und Gerechtigkeit ermöglichen – auch in den schwierigen Fällen.“

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Christian Schuchardt, sagt für die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände: „Die Kommunen haben sich in der Washingtoner Erklärung dazu bekannt, sich aktiv an der Wiedergutmachung des NS-Kulturgutraubes zu beteiligen. Die Einführung der Schiedsgerichtsbarkeit ist ein wichtiger weiterer Schritt, um Verantwortung zu übernehmen und den jüdischen Opfern des Nationalsozialismus und ihren Familien Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Wir danken allen Schiedsrichtern und Schiedsrichterinnen, die sich für dieses Ziel in den kommenden Verfahren einsetzen werden, um faire und gerechte Lösungen zu finden.“

Für die Rückgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut bringt die neue Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubgut entscheidende Verbesserungen mit sich: Die einseitige Anrufbarkeit ermöglicht Opfern und ihren Rechtsnachfolgenden einen erleichterten Zugang zu einem Verfahren. Auch treten an die Stelle unverbindlicher Empfehlungen verbindliche Entscheidungen. Die Schiedsgerichte entscheiden zukünftig inhaltlich alleine nach Maßgabe eines Bewertungsrahmens, der Beweiserleichterungen vorsieht, die den heute – mehr als 80 Jahre nach Kriegsende – noch offenen Fällen noch besser gerecht werden. Dieser Bewertungsrahmen tritt an die Stelle der „Orientierungshilfe“ der Handreichung zur Umsetzung der „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999.

Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände hatten sich im 20. Kulturpolitischen Spitzengespräch am 13. März 2024 auf eine grundlegende Reform der Beratenden Kommission verständigt, um den Zielen der Washingtoner Prinzipien noch besser gerecht zu werden. Mit dem Verwaltungsabkommen vom 26. März 2025 wurde der Grundstein für die Einrichtung der Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubgut gelegt. Der Zentralrat der Juden in Deutschland und die Claims Conference waren bereits in die Ausarbeitung der Grundlagendokumente der Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubgut eingebunden.

Die Grundlagendokumente der Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubgut stehen unter folgendem Link auf Deutsch, Englisch, Französisch und Hebräisch zur Verfügung: https://kulturstaatsminister.de/aufarbeiten-und-erinnern/aufarbeitung-der-ns-gewaltherrschaft/ns-raubgut/beratende-kommission/grundlagendokumente-zur-reform

 

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