EHRENAMTSPREIS FÜR JÜDISCHES LEBEN IN DEUTSCHLAND
14. November 2022
Rede

EHRENAMTSPREIS FÜR JÜDISCHES LEBEN IN DEUTSCHLAND

Beschriftung:
Anrede,

und vor allem ein ganz herzliches Willkommen an die Vertreter der Siegerteams „Jüdisches Halle – gestern und heute“ sowie dem „Jüdischen Salon am Grindel“ aus Hamburg. Ich gratuliere Ihnen zu dieser Auszeichnung und Anerkennung Ihres Engagements!

Ich möchte an dieser Stelle allen danken, die sich um den „Ehrenamtspreis für jüdisches Leben in Deutschland“ beworben haben; eigentlich auch allen, die sich nicht beworben haben und sich aber ebenso tagtäglich für die Sichtbarkeit Jüdischen Lebens in Deutschland engagieren, für den Abbau von Vorurteilen eintreten und aufrecht gegen Antisemitismus kämpfen: Ihnen allen gebührt Anerkennung und Dank!

Meine Damen und Herren, 

Sie können sich vorstellen, dass ich, als mir Felix Klein vor einiger Zeit von seiner Idee berichtete, diesen Preis zu stiften, ihm von Anfang an sehr dankbar für diese Initiative war und immer noch bin. Die Zeit vor allem zu Beginn der Corona-Pandemie war für Jüdinnen und Juden eine stetige Konfrontation mit Verschwörungserzählungen, die nicht selten, sondern sogar häufig von antisemitischen Untertönen durchsetzt sind. Als zum Höhepunkt der Proteste gegen die Impfungen und die Corona-Politik der Bundesregierung, Menschen mit einem gelben sogenannten Judenstern auf die Straße gingen, um ihren Status des Ausgestoßenen zu markieren, war für mich ein Grad der Perfidität erreicht, der vielleicht nur noch von den erschreckenden antisemitischen Vorfällen auf der diesjährigen documenta übertroffen werden konnte. 

Mitten in diese Zeit der Unsicherheit hinein, die bei vielen Jüdinnen und Juden auch ein Gefühl der Ratlosigkeit über ihren Ort in unserer Gesellschaft hinterlassen hat, fiel das Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“. Die vielen Veranstaltungen, Berichte und Wortmeldungen in Zusammenhang mit dem Festjahr, die sich für jüdisches Leben in diesem Land stark machten, haben der jüdischen Gemeinschaft ein großes Stück Vertrauen zurückgegeben. Und ich glaube es konnte auch darüber hinaus einiges erreicht werden: Niemand hat vielleicht erwartet, dass es nach dem Festjahr auf einmal keinen Antisemitismus mehr gibt, aber ich habe durchaus das Gefühl, dass es bei den meist wohlmeinenden Menschen zu einer positiven Verfestigung ihrer Haltung in Bezug auf das Judentum und seinen Platz in Deutschland geführt hat.

Das Festjahr hat auch gezeigt, und damit komme ich auch auf das zu sprechen, was Felix Klein zur Auslobung dieses Preises animiert hat, wie vielfältig und lebhaft das Judentum sich in all seinen Facetten in Deutschland zeigt. Ich selbst bin immer wieder beeindruckt, mit welchem Selbstbewusstsein gerade junge Menschen jüdisches Leben sichtbar machen und damit zeigen, dass das Judentum zu Deutschland gehört. Wichtig ist, dass diese Initiativen über den eigenen Horizont hinausdenken und die ganze Gesellschaft in den Blick nehmen – ein Kunststück, dass die beiden Gewinnerprojekte in besonderer Weise vollbringen.

Meine Damen und Herren,

das „Menschsein“ bestimmt sich in erster Linie aus dem Verhältnis zu seinen Mitmenschen. So schrieb es bereits Rabbiner Leo Baeck sel. A. als Gottes Gebot und dieser Grundsatz liegt im Kern jedem ehrenamtlichen Engagement zu Grunde. „Ehrenamtler“ leisten etwas, das über ihren eigenen Vorteil hinaus geht und zeigen damit in besonderer Weise Verantwortung für ihre Mitmenschen. Ob das, wie für Baeck, der höchste Ausdruck wahrer Frömmigkeit ist oder einfach einen immensen Beitrag für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft darstellt, das mag jedem selbst überlassen sein. Dass unser Land ohne Ehrenamt sicher ein anderes wäre, steht für mich fest und deswegen bin ich dankbar für Ihr Engagement und dankbar für diesen Preis!

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

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