Rabbinerordination



Grußwort des Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, anlässlich der Rabbinerordination des Zacharias Fraenkel College, 23. Oktober 2022, Potsdam

Anrede,

Ich freue mich sehr, heute zusammen mit Ihnen erneut eine Ordination von Rabbinerinnen und Rabbinern in Deutschland zu feiern. Es ist seit 2017 bereits das dritte Mal, dass der Zentralrat der Juden das Frankel College dazu beglückwünschen kann, Nachwuchsrabbiner in ihr Amt einzuführen. Wir wissen sehr gut, wieviel Arbeit dahinter steckt - nicht nur für die Kandidatinnen und Kandidaten selbst, sondern auch für diejenigen Menschen, die Rabbinatsstudentinnen und –studenten auf ihrem Weg begleiten und tatkräftig unterstützen.

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle eindeutig versichern: Der Zentralrat der Juden in Deutschland würdigt Ihre Arbeit und steht fest zum Zacharias Frankel College als rabbinischer Ausbildungsstätte – heute und in der Zukunft. Genauso wie zu allen anderen Hochschuleinrichtungen, die der ZR in den vergangenen Jahren gefördert hat. Denn das jüdische Leben in Deutschland kann nur dann blühen und gedeihen, wenn wir weiterhin dafür sorgen, dass alle Strömungen des Judentums geeigneten rabbinischen Nachwuchs heranziehen, der auch der jüngeren Generation die Traditionen und Werte des Judentums vermitteln.

Wir haben gerade das Laubhüttenfest Sukkot gefeiert, und das erscheint mir in diesen Tagen besonders symbolträchtig. Sieben Tage lebten die Israeliten laut unserer Überlieferung an ihrem ersten Lagerplatz nach dem Auszug aus der ägyptischen Sklaverei in Hütten – in provisorischen Behausungen mit Dächern aus Baumzweigen, Blättern, Bambus oder Stroh.

In solchen Hütten – natürlich unter viel bequemeren Umständen als damals vor mehr als 3000 Jahren – haben wir uns in der vergangenen Woche aufgehalten, um Sukkot zu begehen. Im 5. Buch Mose heißt es, ich zitiere: „Das Laubhüttenfest sollst du sieben Tage lang feiern, nachdem du das Korn von der Tenne und den Wein aus der Kelter eingelagert hast. Du sollst an deinem Fest fröhlich sein, du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, auch die Leviten, die in deinen Stadtbereichen Wohnrecht haben, und die Fremden, Waisen und Witwen, die in deiner Mitte leben.“ Zitatende.

An dieser Bibelstelle, meine sehr geehrten Damen und Herren, können wir den Geist des Judentums erkennen – eine Religion, die sich nicht nur um ihre Angehörigen sorgt, sondern auch um die Fremden unter uns. In Zeiten des immer noch andauernden russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine erscheint mir dies wichtiger denn je. Und ich möchte mich ausdrücklich bei der Masorti-Bewegung in Deutschland dafür bedanken, dass auch sie einen beträchtlichen Anteil bei der Unterstützung und Integration jüdischer Flüchtlinge aus der Ukraine geleistet hat.

Im Vergleich zu den Menschen, die aus den Kriegsgebieten zu uns geflüchtet sind, geht es uns Juden in Deutschland sehr gut. Wir wohnen nicht in Hütten. Wir haben ein Dach über dem Kopf. Doch das bedeutet natürlich nicht, dass wir keine Probleme hätten. Von den Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln sind insbesondere jüdische Zuwanderer betroffen, die von kleinen Gehältern, kleinen Renten oder Sozialleistungen leben müssen – und das sind nicht wenige unserer Mitglieder in den jüdischen Gemeinden.

Während der Corona-Pandemie haben sich Hass und Hetze gegen Juden in diesem Land offener als zuvor wieder Bahn gebrochen. Umso mehr brauchen wir Rabbinerinnen und Rabbiner, die Ruhe und Optimismus ausstrahlen und den jüngeren Gemeindemitgliedern zeigen, dass Deutschland ein Land ist, in dem Juden immer noch gerne leben – allen Anfeindungen zum Trotz.

Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zacharias Frankel College! Selbstverständlich kann das Ergebnis eines Studiums in Potsdam auch sein, dass in Deutschland ausgebildete Rabbiner auch in anderen Ländern tätig werden – wie Sie, liebe Frau Calpe, in Zukunft als Rabbinerin in Spanien, und Sie, liebe Frau Attias, als Rabbinerin in Frankreich. Das zeigt, dass die am Zacharias Frankel College erworbenen Abschlüsse im Ausland nicht nur anerkannt, sondern auch in der Praxis geschätzt werden. Doch ich freue mich natürlich auch sehr darüber, dass Sie, lieber Herr Rabbiner Brukner, in Zukunft als Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Bochum arbeiten werden.

Wir leben in Zeiten der Angst und Unsicherheit. Die Welt ist, wie es in einem bekannten israelischen Lied heißt, „gescher zar meod“ – eine sehr enge Brücke. Umso wichtiger ist es, dass wir nicht in Angst verharren, sondern den Zusammenhalt innerhalb der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland und weltweit stärken. Rabbinerinnen und Rabbiner made in Potsdam leisten dazu einen wichtigen Beitrag. Ich danke Ihnen dafür schon jetzt sehr herzlich und wünsche Ihnen für die zukünftigen Aufgaben viel Kraft, innere Ruhe und Erfolg!

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