Keine Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten



Zentralrat der Juden und französischer jüdischer Dachverband CRIF sind sich einig in ihrer Distanz zu AfD und Front National. Gemeinsamer Gastbeitrag in „Die Welt“.

Foto: CRIF

Bei den politischen Dachverbänden der jüdischen Gemeinden und Institutionen in Deutschland und Frankreich – dem Zentralrat der Juden in Deutschland und dem Repräsentativen Rat der jüdischen Institutionen von Frankreich (CRIF) – ist es seit Jahrzehnten gute Tradition, überparteilich zu arbeiten. Wir haben stets Kontakt zu allen in den jeweiligen Parlamenten vertretenen Parteien gehalten.

Das hat sich in Frankreich mit dem wachsenden Erfolg des Front National geändert. In Deutschland stehen wir mit dem Einzug der rechtspopulistischen AfD in den Bundestag ebenfalls vor einer neuen Situation, die ein Umdenken erfordert und uns veranlasst, von alten Gepflogenheiten Abstand zu nehmen.

Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland und in Frankreich schätzt politischen Pluralismus in der Demokratie. Gerade deshalb sehen wir keine Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit der AfD oder dem Front National. Juden haben aufgrund ihrer leidvollen Geschichte feine Sensoren, wenn Populisten anfangen, demokratische Werte in Misskredit zu bringen, die Gesellschaft zu spalten und Minderheiten anzugreifen. Die Geschichte hat uns bitter gelehrt, wohin es führen kann, wenn über Jahre der Bevölkerung weisgemacht wird, eine bestimmte Minderheit schade dem Land.

Nichts anderes tun AfD und Front National. Sie hetzen gegen Muslime im Allgemeinen und gegen Flüchtlinge im Besonderen. In Deutschland hat die AfD die Aufnahme der Flüchtlinge in den vergangenen beiden Jahren als Thema genutzt, um Neid und Ängste in der Bevölkerung zu schüren. Selbst angesichts einer steigenden Zahl von Anschlägen auf Flüchtlingsheime haben sie sich verbal nicht gezügelt. Dabei scheuen einzelne AfD-Politiker vor einem Sprachgebrauch aus der Nazizeit nicht zurück, wenn sie etwa von „Umvolkung“ sprechen oder dafür plädieren, die Vokabel „völkisch“ wieder positiv zu besetzen.

Die AfD achtet bei ihrer Hetze weder den Gleichheitsgrundsatz noch die im Grundgesetz garantierte Unantastbarkeit der Menschenwürde sowie die Religionsfreiheit. Uns ist völlig klar: Derzeit richtet die AfD ihr Augenmerk auf Muslime. Früher oder später kann es genauso uns Juden treffen. Ein Verbot des Schächtens hat die AfD bereits in ihr Programm aufgenommen.

Schon einmal in unserer Geschichte hat sich eine Partei in Deutschland angemaßt zu definieren, wer als Deutscher gilt und wer nicht, wer leben darf und wer nicht. Nie wieder werden wir einer ähnlichen Entwicklung zusehen, egal, welche Minderheit betroffen ist!

In Frankreich verbreitet die extreme Rechte Hass und nutzt dabei Mittel wie Lügen und Täuschung. Der Front National traut sich alles zu, verspricht alles und scheut sich nicht, alles Mögliche zu behaupten und das Gegenteil davon auch, um seine politischen Ziele zu erreichen. Die Rechtsextremisten setzen die Tradition der Judenfeindschaft fort. Sie stellen das jüdische Leben in Frankreich infrage, indem sie davon sprechen, das Tragen der Kippa, also der jüdischen Kopfbedeckung, in der Öffentlichkeit und das Schächten zu verbieten.

Der Front National spielt mit dem Leid und den Ängsten der Menschen. Er erfindet Sündenböcke, um sie zur Zielscheibe des Hasses zu machen. Er löst keine Probleme unserer Gesellschaft, sondern verbreitet nur das tödliche Gift des Misstrauens und der Zwietracht. Er versucht, unsere Gesellschaft in „wahre Franzosen“, die ihre Stimme dem Front National geben und denen „nationale Priorität“ versprochen wird, und „Neufranzosen“ oder „Doppelstaatler“ zu spalten, was schreckliche Erinnerungen an die finstersten Kapitel der Geschichte weckt. Wir Juden sind immer betroffen, wenn jemand anfängt, Listen zu erstellen …

Es ist für uns undenkbar, uns mit Politikern zusammenzusetzen, die ein Ende des „Schuldkults“ fordern oder die Leistungen der deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg gewürdigt sehen wollen. Rechtspopulisten geben sich gerne als Freunde Israels oder von Juden aus, weil sie uns glauben machen wollen, Muslime seien unsere gemeinsamen Feinde. Sie ziehen mit Israel-Flaggen auf Demonstrationen oder machen öffentlichkeitswirksame Reisen in den jüdischen Staat.

Doch das sind sehr durchschaubare Manöver, mit denen sie versuchen, nach jüdischen Wählern zu fischen. Umso wichtiger ist es uns als jüdischen Dachverbänden daher, ganz deutlich zu machen: AfD und Front National sind keine Partner für uns, sondern eine Bedrohung des jüdischen Lebens in Deutschland und Frankreich.

In der jüdischen Gemeinschaft in Frankreich und in Deutschland läuten längst die Alarmglocken. Dies sollte auch für andere Menschen in unseren Ländern ein Warnsignal sein.

So wie wir, die Juden in Deutschland und die Juden in Frankreich, gegen den Rechtspopulismus zusammenstehen, sollte ganz Europa den Kampf gegen rechtspopulistische Parteien aufnehmen – gegen Kräfte, die unsere europäischen Werte, unsere Gemeinschaft und letztlich unsere Freiheit gefährden!

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