"Wir sichern selbst die Zukunft der jüdischen Gemeinden"



Foto: Tobias Barniske

Grußwort des Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden, Abraham Lehrer, bei der Rabbiner-Ordination, 1.12.2016, Hannover

Vor zehn Jahren erschien es uns noch fast wie ein Wunder: 2006 wurden in Dresden zum ersten Mal nach dem Krieg wieder liberale Rabbiner in Deutschland ordiniert. 2009 konnten wir in München die erste Ordination orthodoxer Rabbiner seit der Schoa feiern. Zuletzt haben wir im September in Frankfurt eine Amtseinführung von orthodoxen Rabbinern erlebt.

Eine Ordinationsfeier wie heute hier in Hannover ist für unsere jüdische Gemeinschaft im 21. Jahrhundert fast schon eine Selbstverständlichkeit. Und das ist wirklich ein Grund zur Freude. Wie Sie alle wissen, werden unter dem Dach des Zentralrats der Juden in Deutschland Rabbiner für alle Strömungen des Judentums ausgebildet. Sehr geehrte Damen und Herren, das sucht seinesgleichen.

Als Vizepräsident des Zentralrats der Juden sehe ich diese Vielfalt unter einem Dach als großen und auch nachhaltigen Erfolg. Denn als zahlenmäßig überschaubare Religionsgemeinschaft und leider auch angesichts eines wachsenden Antisemitismus gibt es für Juden in Deutschland keine Alternative zum Prinzip der „Einheit in der Vielfalt“.

Was bedeutet dieses Motto nun praktisch? Wir wissen seit geraumer Zeit, dass die unterschiedlichen Strömungen, die sich in Deutschland entwickelt und etabliert haben, eine gegenseitige Beobachtung vornehmen und genau darauf achten, wie die Kollegen vom Dachverband behandelt werden. Ein gewisses Misstrauen untereinander besteht ohne Zweifel. Lassen Sie mich hier an dieser Stelle noch einmal bekräftigen: Für den Zentralrat der Juden gehört es zum Selbstverständnis, also eine Art Staatsräson für uns, alle relevanten Ausprägungen des Judentums zu unterstützen und fördern. Dies geschieht in ideeller, aber auch finanzieller Hinsicht. Der Zentralrat ist der Dachverband aller Gemeinden und Landesverbände und damit aller Juden in Deutschland.

Wenn am kommenden Wochenende 1.000 jüdische Menschen, alte und junge, liberal oder orthodox ausgerichtete, kulturell oder religiös interessierte, sogenannte Alteingesessene oder aus der ehemaligen SU Zugewanderte, aber vor allem überwiegend ganz normale Mitglieder unserer Gemeinden und halt keine Funktionäre, aus dem ganzen Land in Berlin zusammenkommen, um sich kennenzulernen und auszutauschen, um sich weiterzubilden, um erfolgreiche Projekte aus anderen Gemeinden kennen zu lernen, steht allen Teilnehmern ein spannendes und interessantes Wochenende bevor. Diese Veranstaltung ist ein deutlicher Beleg und deutlicher Beweis für die „Einheit in der Vielfalt“. An diesem Wochenende werden alle Strömungen neben- und miteinander sprechen und alle werden einen Benefit mit nach Hause nehmen.

Für uns als jüdische Gemeinschaft ist es ein großer Fortschritt, dass deutsche Gemeinden zunehmend in der Lage sind, Rabbiner und Kantoren „made in Germany“ einzustellen. Die Zeiten, als wir Rabbiner aus dem Ausland teuer „importieren“ mussten, weil Deutschland nach dem Krieg für Juden nicht attraktiv war, sind glücklicherweise vorbei.

Wir sind mit Unterstützung der Bundesregierung in der glücklichen Lage, durch die Rabbinerausbildung die Zukunft der jüdischen Gemeinden in unserem Land selbst zu sichern. Die Bundesländer tragen Ihren Teil für die Konstanz und den Bestand der örtlichen Gemeinden und Landesverbände bei. Dafür möchte ich mich bei allen Beteiligten ausdrücklich bedanken und Sie meine Herren MPs nehmen meinen Dank an Ihre Kolleginnen und Kollegen bitte mit!

Meine sehr geehrten Herren Lior Bar-Ami, Ariel Pollak und Assaf Levitin, für Sie als neuer Rabbiner oder Kantor ist heute ein ganz besonderer Tag, und ich gratuliere Ihnen herzlich zum krönenden Abschluss Ihrer geistlichen Ausbildung. Herr Rabbiner Bar-Ami und Herr Rabbiner Pollak, trotz Ihrer jungen Jahre haben Sie weltweit schon viel Berufserfahrung gesammelt.

Auch Sie Kantor Levitin bauen auf langjähriger internationaler Erfahrung auf. Seit geraumer Zeit sind Sie in der liberalen jüdischen Gemeinde in Hannover tätig. Viele Gemeindemitglieder kennen Sie aus dem bundesweiten Kulturprogramm des Zentralrats der Juden – und als Mitglied des erfolgreichen Ensembles „Die drei Kantoren“.

Nun dürfen Sie drei sich offiziell Rabbiner beziehungsweise Kantor nennen – und Sie haben allen Grund, darauf stolz zu sein.

Ein Rabbiner oder ein Kantor, der sich mit seinem Wissen und seiner Erfahrung einbringt und mit seiner ganzen Persönlichkeit für die Gemeinde engagiert, ist ein Mensch, an dem sich alle Gemeindemitglieder orientieren. Ob Gottesdienst, Barmizwa, Batmizwa oder Hochzeit, persönliche Beratung bis hin zur Beerdigung – Sie sind zuständig für alle Bereiche des jüdischen Lebens, Vorbild für die Jüngeren und Stütze für die Älteren.

Ich bin mir sicher, dass Sie drei sich Ihrer großen Verantwortung bewusst sind, die Sie mit Ihren Ämtern übernommen haben. Sie sind die Bewahrer unseres jahrtausendealten Erbes, Sie geben jüdische Tradition an kommende Generationen weiter. Bewahren Sie die Einheit Ihrer zukünftigen Gemeinden und der ganzen jüdischen Gemeinschaft. Das sind wichtige Aufträge und sie tragen eine große Verantwortung.

Ich wünsche Ihnen Mazal Tov, alles Gute und viel Erfolg für Ihre Arbeit in der Zukunft!

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