Herr Schuster, Juden in der Bundeswehr gibt es seit vielen Jahren. Jetzt möchte der Zentralrat auch jüdische Seelsorger?
Es gibt seit Jahrzehnten jüdische Soldatinnen und Soldaten. Dafür ist auch eine entsprechende Seelsorge notwendig, so wie sie die katholische und evangelische Kirche bereits leistet. Es gibt auch einen zweiten, ebenso wichtigen Grund: der Lebenskundliche Unterricht, der sich mit der Berufsethik der Soldaten in der Bundeswehr befasst. Es ist ausgesprochen wichtig, gerade heute das Thema Judentum authentisch im Rahmen dieses Lebenskundlichen Unterrichts zu vermitteln.
Wollen Sie auch in die Bundeswehr wirken?
Mir geht es neben der wichtigen direkten Betreuung jüdischer Soldatinnen und Soldaten natürlich auch um das Wirken der jüdischen Militärseelsorger innerhalb der Bundeswehr. Militärrabbiner können sehr wohl auch Anlaufstelle für nichtjüdische Soldatinnen und Soldaten sein.
Brauchen muslimische Soldaten auch eigene Seelsorger?
Das ist zu erwägen. Wichtig ist natürlich, dass die Militärimame auch das notwendige religiöse Spektrum abdecken.
Im Judentum gibt es ebenfalls unterschiedliche religiöse Strömungen.
Bei uns gibt es aufgrund der Struktur in Form des Zentralrats als Dachorganisation und der beiden Rabbinerkonferenzen in der Frage der innerreligiösen Akzeptanz kein Problem. Ich könnte mir sehr gut einen orthodoxen und einen liberalen Rabbiner im Amt vorstellen.
Feldrabbiner gab es schon im Ersten Weltkrieg.
Das ist richtig. Militärrabbiner sind keine Neuerfindung des 21. Jahrhunderts. Sie gab es in Deutschland schon vor der Schoa. Mit Leo Baeck sel. A. hat die jüdische Gemeinschaft ein großes Vorbild als »Feldrabbiner«.
Wie könnte ein solches Militärrabbinat bei 300 im Bundesgebiet verstreut stationierten jüdischen Bediensteten aussehen?
Wir leben heute im Zeitalter bester Kommunikation, in dem unabhängig vom aktuellen Standort des Einzelnen jeder miteinander in Kontakt treten kann. Wenn es um kompetente Seelsorge geht, kommt es auf die Fragestellung an. Und da kann ein Militärrabbiner auch aus der Ferne helfen oder einen direkten und schnellen Kontakt zu einem Rabbiner in der näheren Umgebung herstellen.
Der Zentralrat fordert schon seit vielen Jahren Militärrabbiner. Woran ist diese Initiative bisher gescheitert?
Auch hochrangige Militärangehörige und Politiker unterstützten unsere Forderung. Ich will aber nicht verhehlen, dass ich das Gefühl habe, dass unser Anliegen bei der zivilen Leitung im Bundesministerium der Verteidigung nicht oberste Priorität hat.
Mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland sprach Hans‐Ulrich Dillmann.
21.02.2019, Jüdische Allgemeine