Nach dem ermüdenden Schauspiel dieser zähesten Regierungsbildung, die wir in Deutschland seit 1949 je hatten, macht sich ein Gefühl der Erleichterung breit: Man ist als Bürger einfach froh, dass jetzt überhaupt eine neue Bundesregierung im Amt ist.
Das Ergebnis der Bundestagswahl mit unklaren Mehrheitsverhältnissen hatte die Regierungsbildung so schwierig gemacht. Doch auch wenn die Parteien sich jetzt sortiert haben, sollten sie dieses Ergebnis nicht als abgehakt, sondern als Auftrag begreifen: Dass der politisch rechte Rand so sehr erstarkt ist, ist ein Alarmsignal für unsere Demokratie.
afd Die AfD hat längst damit angefangen, rechtsradikales Vokabular in den Bundestag einzuführen. Dabei wird sie es nicht belassen. Sie wird versuchen, die politische Agenda zu bestimmen. Dazu dürfen es die anderen Parteien nicht kommen lassen.
Gerade die neue Regierungskoalition ist aufgefordert, unseren demokratischen Werten wieder die Geltung zu verschaffen, die sie verdienen. Dazu gehören auch die Religionsfreiheit und der Schutz von Minderheiten. Weder darf sie angesichts der Anschläge auf Moscheen untätig bleiben, noch angesichts des wachsenden Antisemitismus.
israel Der neue Antisemitismusbeauftragte braucht daher den vollen Rückhalt aller Ministerien. Eifersüchteleien oder Machtspielchen zwischen den Ressorts wären völlig fehl am Platz. Ebenso darf es keinen Zweifel an der Solidarität Deutschlands mit Israel geben. Die Formulierungen im Koalitionsvertrag lassen hier leider Interpretationsspielraum.
Doch wenn schon die Regierungskoalition mit Blick auf Israel nicht eindeutig ist, erscheint es mir umso schwieriger, den israelbezogenen Antisemitismus in der Bevölkerung einzudämmen. Herumlavieren, Aussitzen – das ist als politische Taktik vielleicht manchmal der einfachste Weg. In diesen Zeiten wäre es verheerend. Die Regierungskoalition sollte den Mut zu klaren Positionen haben – pro-demokratisch und pro-europäisch.
Der Autor ist Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.
Jüdische Allgemeine vom 15.03.2018