Laudatio von Dr. h.c. Charlotte Knobloch



Präsidentin des Zentralrat der Juden in Deutschland anlässlich der Verleihung des Paul-Spiegel-Preises für Zivilcourage an Bernd Merbitz, Landespolizeipräsident des Freistaates Sachsen, am 2. Juli 2009 in Dresden

- Es gilt das gesprochene Wort –

Es ist mir eine große Ehre und ganz besondere Freude, Sie heute zur Verleihung des Paul-Spiegel-Preises für Zivilcourage begrüßen zu dürfen. Wie Sie alle wissen, wird dieser Preis heute zum ersten Mal vergeben. Namensgeber ist mein Vorgänger im Amte des Zentralratspräsidenten, unser Freund und Mitstreiter für die Anliegen der in Deutschland lebenden Juden, Paul Spiegel sel. A. Der Stifter des Preises, der Zentralrat der Juden in Deutschland, möchte mit dem Paul-Spiegel-Preis Menschen ehren, die sich in besonderer Weise um die Bekämpfung von Rechtradikalismus und Antisemitismus verdient gemacht haben. Unser Anliegen ist es, vorbildliches Verhalten öffentlich zu machen und damit andere Menschen zu ermutigen, selbst aktiv zu werden.

Ein besonderer Willkommensgruß gilt deshalb dem Mann, der in den Augen der Auswahlkommission diese Vorgaben auf vorbildliche Weise erfüllt und deshalb für den Paul-Spiegel Preis für Zivilcourage benannt wurde. Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir den Landespolizeipräsidenten des Freistaates Sachsen, Herrn Bernd Merbitz!

Gedankt sei gleich zu Anfang unseren heutigen Gastgebern, der Jüdischen Gemeinde Dresden. Die neue, architektonisch beeindruckende Dresdener Synagoge bietet eine wunderbare Kulisse für diesen festlichen Anlass. An ihrer Einweihung im November 2001 hatte auch Paul Spiegel teilgenommen. Er zeigte sich dankbar und bezeichnete die Eröffnung der ersten neu gebauten Synagoge nach der Wiedervereinigung in einem der ostdeutschen Bundesländer als „Wunder". Inzwischen hat sich dieses „Wunder" noch mehrfach wiederholt. Überall in Deutschland sind in den vergangenen Jahren Synagogen und Gemeindezentren entstanden. Die jüdische Gemeinschaft weiß dieses Glück - das wir dem Zuzug von Glaubensbrüdern und -schwestern aus Osteuropa verdanken - zu würdigen. Dieses Glücksgefühl mischt sich jedoch hier in Dresden, wie an so vielen Orten überall in Deutschland, mit der tiefen Trauer über den unersetzlichen Verlust von Millionen unschuldig ermordeter Menschen in den Jahren der nationalsozialistischen Judenverfolgung.

Mit Blick auf die Vorstellung des aktuellen Verfassungsschutzberichts durch den Bundesinnenminister vor wenigen Wochen hätte der Zeitpunkt für diese Preisverleihung nicht passender gewählt sein können. Wie schon in den Jahren zuvor, hatte ich auch vor der Veröffentlichung der Daten für das vergangene Jahr gehofft, die Zahl der rechtsradikalen Straftaten sei, wenn schon nicht zurückgegangen, so doch zumindest konstant geblieben. Diese Hoffnung wurde leider enttäuscht. Für das Jahr 2008 verzeichnet der Bericht in Deutschland einen Anstieg rechtsextremer Straftaten um über 15 Prozent. Das Spektrum reicht vom Zeigen des Hitlergrußes über das Verbreiten rechtsradikaler CDs bis hin zur Schändung jüdischer Friedhöfe und Gewalt an Menschen.

Die Erkenntnisse der Verfassungsschützer bestätigten mich in einer seit Jahren von mir erhobenen Forderung: Die NPD muss verboten werden! Mag die Zahl ihrer Parteimitglieder auch leicht zurückgegangen sein, so bleibt diese verfassungsfeindliche Gruppierung doch die gefährlichste rechtsextreme Partei in Deutschland – allen internen Personalquerelen und Finanzproblemen zum Trotz. Wer glaubt, die jüngst verhängten Strafzahlungen von knapp 1,3 Millionen Euro würden die NPD auch ohne Verbotsverfahren in die Knie zwingen, liegt falsch. Heinz Fromm, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, geht davon aus, dass die NPD auf absehbare Zeit uneingeschränkt kampagnenfähig ist. Eine ernüchternde Erkenntnis, die ein Verbot der braunen Volksverhetzer nur noch dringlicher erscheinen lässt.

Mögen Statistiken auch noch so aussagekräftig sein, so wird die Wirklichkeit, sprich der zum Teil beängstigende Zustand vor Ort durch nüchterne Zahlen nur sehr unzureichend abgebildet. Timo Reinfrank, Koordinator der Amadeu Antonio Stiftung, warnte vor wenigen Wochen in einem Interview deshalb eindringlich vor Blauäugigkeit: „Gerade in ländlichen Regionen", so Reinfrank, „kämpfen wenige zivilgesellschaftliche Kräfte gegen eine rechte Hegemonie". Eine Einschätzung, die wahrscheinlich viele von Ihnen hier im Saal teilen. Vor allem diejenigen, die aus eigener, bedrückender Erfahrung wissen, wie sich beispielsweise hier in Sachsen die Situation in den ländlichen, strukturschwachen Gegenden und in einzelnen Städten darstellt; die besonders auf den Dörfern täglich konfrontiert werden mit rechten Parteigängern, mit verblendeten Wichtigtuern, die den Ton angeben, Fremde wie Feinde behandeln, zur Gewalttätigkeit neigen und keinerlei Bezug mehr zu unserer demokratisch-rechtstaatlichen Grundordnung haben. Mit großer Sorge beobachten Polizei und Fachleute seit einiger Zeit einen Trend zur noch stärkeren Radikalisierung. Neonazis, die immer aggressiver auftreten und verstärkt zum körperlichen Angriff auf ihre Gegner übergehen. Der Chef des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, sprach jüngst im Berliner "Tagesspiegel" von einer neuen Qualität der Gewalt. "Der schwarze Block der Neonazis, die Autonomen Nationalisten, attackieren Linke und Polizisten mit einer Aggressivität, die man als Strategiewechsel bezeichnen kann."

Eine kürzlich vom Dresdner Hannah-Arendt-Insitut für Totalitarismusforschung vorgestellte Studie belegt ergänzend dazu, wie erschreckend groß das Reservoir an rechtem Nachwuchs ist. Die Wissenschaftler kommen zu dem Ergebnis, dass jeder fünfte Berufsschüler in Sachsen rechtsextrem eingestellt ist. Die nicht repräsentative Befragung unter 521 Schülern offenbart bei jedem Zweiten von allen Befragten eine fremdenfeindliche Grundhaltung. Etwa jeder Dritte steht dem Nationalsozialismus nahe und lehnt die gegenwärtige Demokratie ab. Diese Einstellungen sind oft mit Antiamerikanismus und einer Verklärung der DDR-Vergangenheit gekoppelt. Alarmierend ist weiterhin, dass die Aussagen der Studie letztlich nur das bestätigen, was längst im Stadtbild sichtbar ist und durch Beobachtungen von Bürgerinnen und Bürgern bestätigt wird: Der Rechtsextremismus ist an vielen Orten in Deutschland längst kein unsichtbares Randphänomen mehr. Im Gegenteil, die rechten Volksverhetzer drängen geradezu in die Öffentlichkeit. Ein Beispiel von vielen war die NPD-nahe Vereinigung „Heimattreue Jugend", die Anfang April endlich verboten wurde. Die als Jugendverein getarnte rechte Kaderschmiede war gleich in mehreren Bundesländern aktiv. Schon 1990 als Jugendverband gegründet, wurden Ferienlager und andere Freizeitangebote genutzt, um Kinder und Jugendliche militärisch zu drillen und mit nationalsozialistischem Gedankengut vertraut zu machen.

„Wir stehen auf für Menschlichkeit und Toleranz" – so lautete das Motto der großen Demonstration am 9. November 2000. Über 300.000 Menschen versammelten sich damals am Brandenburger Tor, um am Tag des Gedenkens an die Reichspogromnacht ein Zeichen gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit zu setzen. Unvergessen ist die Rede, die Paul Spiegel sel. A. zu diesem Anlass auf dem Pariser Platz hielt. Scharf geißelte er damals die Zunahme rechter Gewalttaten, die Anschläge auf die Synagogen in Düsseldorf und Berlin, Ausschreitungen gegen Ausländer und ganz besonders die damals ausgeprägte Neigung von Politikern, durch Begriffe wie dem von der „deutschen Leitkultur" oder rechtslastige Zuspitzungen in der Einwanderungsdebatte einem Klima der Intoleranz Vorschub zu leisten. Aufgebracht fragte der sonst so freundliche, friedfertige Paul Spiegel an diesem denkwürdigen Abend, ob es „etwa deutsche Leitkultur (sei), Fremde zu jagen, Synagogen anzuzünden, Obdachlose zu töten?" Die harsche Kritik aus den Reihen der Politik, die er in den darauf folgenden Tagen zu hören bekam, bestätigte ihn in seiner Haltung.

Im Nachhinein hat er oft betont, dass er auf diese Kritik gerne verzichtet hätte, wenn, ja wenn er nicht die Sorge hätte, dass braune Parolen und antisemitische Vorurteile in Deutschland wieder zunehmend auf offene Ohren stoßen. Die polemischen Worte von Paul Spiegel hallten in der Öffentlichkeit nach. Seine Zeitzeugenschaft gab seinen Äußerungen zusätzliches Gewicht. Er selbst hatte als kleiner Junge in einem Versteck in Belgien die Jahre der Verfolgung überlebt, seine 11jährige Schwester Rosa war jedoch auf offener Straße verschleppt und in Auschwitz ermordet worden. Von diesen Ereignissen war Paul Spiegel ebenso stark geprägt wie von seiner fast unerschütterlichen Herzensbindung an seine westfälische Heimat. Erst lange nach Kriegsende überwand er sich, über seine Erlebnisse zu sprechen. Fortan diskutierte er vor allem mit Schülern und Jugendlichen über seine Biografie. Er mahnte sie, den verführerisch einfachen Einflüsterungen der Rechten zu widerstehen, mitzuhelfen, das Gedenken an die in deutschem Namen ermordeten Menschen zu bewahren und den „Staffelstab der Erinnerung", wie er es nannte, an die nächste Generation weiter zu reichen.

Sehr geehrter Herr Merbitz, der Zentralrat der Juden in Deutschland möchte Sie heute mit dem Paul-Spiegel-Preis für Zivilcourage ehren, weil Sie diesen symbolischen „Staffelstab der Erinnerung" inzwischen nicht nur ungezählte Male weitergereicht haben, sondern zudem beruflich und privat auf vorbildliche Weise gegen Rassismus, Antisemitismus und rechte Gewalt vorgehen.

Den Anstoß für Ihr entschlossenes Handeln gaben die gewalttätigen Übergriffe auf Asylbewerber-Unterkünfte durch rechtsradikale Jugendliche und hasserfüllte, entfesselte Bürger in Hoyerswerda im Jahr 1991. Ein Ereignis, das die bundesdeutsche Nachwendezeit überschattete und Sie, sehr geehrter Herr Merbitz, umgehend dazu veranlasste, eine bundesweit gelobte und anerkannte Sonderkommission zur Bekämpfung des Rechtsextremismus, kurz SOKO Rex, in Sachsen einzusetzen. Leider blieb Hoyerswerda nicht die einzige Stadt in Deutschland, in der es zu schweren rechten Ausschreitungen kam. Es folgten Rostock-Lichtenhagen, Mölln und im Mai 1993 dann die Brandkatastrophe von Solingen, das bislang schwerste rechtsextrem motivierte Gewaltverbrechen in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Auf grausame Weise zeigte sich an diesen Orten, auf welch fruchtbaren Boden unverantwortliche Äußerungen in den damals hitzig geführten Debatten über Einwanderung und Asyl gefallen waren. Schlimme Worte wie die von den Scheinasylanten, von Asylmissbrauch, von Flüchtlingsströmen und einer Überfremdung der Gesellschaft leisteten einem Klima der Intoleranz Vorschub. Stimmen, die damals zur Mäßigung aufriefen, die an die deutsche Vergangenheit erinnerten, an Diskriminierung und Verfolgung als Vorbereitung des millionenfachen Mordes an den Juden Europas, blieben weitgehend ungehört.

Seither sind eine lange Reihe weiterer rassistischer und antisemitischer Straftaten in Deutschland verübt worden. Von der Öffentlichkeit zumeist unbeachtet, tauchen die Meldungen - wenn überhaupt - in der Regionalpresse auf. Entsprechend wenig Beachtung erfuhren und erfahren die Opfer. Nicht zu vergessen deren Familien, die vielen Menschen gleicher Herkunft oder Religion und die Angehörigen anderer Minderheiten, die sich durch die Meldungen von tätlichen Angriffen, durch Schmierereien an Hauswänden, geschändete Friedhöfe oder Hassparolen bedroht und ausgegrenzt fühlen. Hier Position zu beziehen und sich an die Seite der Opfer und potentiellen Opfer zu stellen, war und ist Ihnen, sehr geehrter Herr Merbitz, ein besonderes Anliegen. Die von Ihnen seit langem praktizierte Zusammenarbeit mit Opferberatungsstellen und dem Weißen Ring sind ein unverzichtbares Signal in Richtung der mitunter traumatisierten, schwer verletzten oder ihrer Lebensgrundlage beraubten Menschen.

Die Liste der von Ihnen darüber hinaus mit ins Leben gerufenen Workshops, Vortragsreihen und zum Teil mit Preisen ausgezeichneten Präventionsprojekten ist lang und beeindruckend. Ihre Zielgruppe sind Schüler, Jugendliche und junge Erwachsene, aber auch Angehörige ausgewählter Berufsgruppen wie Richter oder Lehrer; Frauen und Männer also, die regelmäßig Kontakt zu rechtsgerichteten oder gefährdeten Jugendlichen haben und durch die von Ihnen angebotenen Veranstaltungen Anregungen und Argumentationshilfen erhalten. Die Teilnehmer Ihrer Projekte sind zugleich wichtige Multiplikatoren und helfen im besten Falle mit, breit in die Bevölkerung hinein zu wirken, bemühen sich, Vorurteile entkräften, gefährdete Jugendliche vor dem Abdriften zu bewahren oder Aussteiger aus der rechten Szene zu unterstützen.

Um erfolgreich nach Außen wirken zu können, muss innerhalb der Kollegenschaft intensiv Vorarbeit geleistet werden. Für Bernd Merbitz ist der Beruf gleichzeitig Berufung: Er verfügt über ein mehr als profundes polizeiliches Fachwissen, ist hervorragend vernetzt und kennt jeden Winkel hier in der Region – beste Voraussetzungen also, um möglichst viel seiner Erfahrung an Dritte weiterzugeben. Unterstützend dazu lieferte ihm die Arbeit in der SOKO Rex viel Material, um in der Folgezeit innerhalb der sächsischen Polizei die Fortbildung gegen Rechtsextremismus systematisch auf- und auszubauen. Mit Ihrer zutreffenden Voraussage, nach der sich „die NPD von einem losen Haufen zu einer organisiert tickenden Zeitbombe" entwickeln wird, unterstrichen Sie schon Mitte der 90er Jahre die Notwendigkeit konsequenter Schulungsmaßnahmen innerhalb des Polizeiapparates, um dem Problem des Rechtsextremismus professionell begegnen zu können.

Sehr geehrter Herr Merbitz, Ihre Einsatzbereitschaft und Zähigkeit hat sich ausgezahlt. Immer wieder können Sie und Ihre Kollegen Erfolge verzeichnen. Umso bitterer muss es für Sie gewesen sein, dass sich die Zugewinne rechter Parteien bei Kommunal- und Landtagswahlen ebenso wenig verhindern ließen wie die Festigung rechtsextremer Strukturen in vielen Kommunen. Einmal mehr bestätigt sich hier ein Satz von Paul Spiegel: „Nachhaltige Erfolge bei der Bekämpfung von Antisemitismus und Rechtextremismus werden (…) erst dann zu verzeichnen sein, wenn unsere Gesellschaft die Angriffe auf Minderheiten als Angriffe auf die Demokratie als Ganzes versteht und bereit ist, das wirkliche Ausmaß der Bedrohung nicht zu verdrängen." Auch Sie, verehrter Herr Merbitz, sind sicher überzeugt, dass dieses Ausmaß längst erreicht ist. Wahrscheinlich fragen Sie sich ebenso oft wie ich, was eigentlich noch passieren muss, damit der Kampf gegen Rechts mit aller Härte und Konsequenz geführt wird und breite Unterstützung in der Bevölkerung erhält.

Dass die Gesamtproblematik rechtsextremer Umtriebe in Deutschland in keiner Weise an Brisanz verloren hat, entmutigt Sie aber nicht. Sie waren und Sie sind fest entschlossen, in Ihrem Eintreten für Toleranz, Gewaltfreiheit, Zivilcourage und Demokratie nicht nachzulassen. Letzteres scheint angesichts der Bestätigung, die Sie erhalten, und angesichts Ihres erfolgreichen beruflichen Werdegangs nicht weiter erstaunlich. Nicht übersehen werden darf bei alledem jedoch das Ausmaß an direkter Bedrohung, Verleumdung und Herabsetzung durch Anhänger der NPD, dem Sie und Ihre Familie seit nunmehr fast zwanzig Jahren ausgesetzt sind. Indem Sie den eingeschlagenen Weg dennoch unbeirrt weitergehen, beweisen Sie, Ihre Frau und Ihre Kinder in einem Maße Zivilcourage, das bewundernswert ist.

Zum Abschluss möchte ich einen Kollegen von Bernd Merbitz aus dem Berlin der 20er Jahre zu Worte kommen lassen. Einen Mann, der schon zu Lebzeiten von seinen Zeitgenossen als Ausnahmepersönlichkeit dargestellt wurde; der als freundlich und volksnah galt und im Berliner Behördenapparat hohes Ansehen genoss. Seine juristische Vorbildung und seine durch Mut und Tapferkeit im Ersten Weltkrieg geprägte, glänzende militärische Karriere empfahlen ihn für höchste Ämter - obwohl er Jude war. Tatsächlich gelang ihm der Aufstieg: Im März 1927 wurde der promovierte Jurist Bernhard Weiß zum Polizeivizepräsidenten von Berlin ernannt. Seine weithin gelobte Amtsführung und seine erfolgeichen Anstrengungen, die Demokratisierung der Berliner Polizei voranzutreiben, galten jedoch nichts mehr, als die Nationalsozialisten die Macht antraten. Diffamiert, gedemütigt und ausgebürgert, gelang Bernhard Weiß und seiner Familie knapp die Flucht. Er überlebte den Holocaust und starb 1951 in London – versöhnt mit seinem Vaterland, das er nie aufgehört hatte zu lieben. Diese Liebe und Treue hatte ihm freilich nie seinen klaren Blick für die Schwäche seiner Landsleute getrübt. Nüchtern analysierte er im Juni 1932: "(…) Die letzten Parlamentswahlen haben es auch dem Blindesten vor Augen geführt: das so genannte „freiheitliche Bürgertum" ist in Deutschland bis auf kümmerliche Reste von der politischen Bildfläche verschwunden. (…) Der eine Teil hat seiner einstigen Überzeugung der Freiheit und der Demokratie abgeschworen; und der andere Teil ist „unpolitisch" geworden. (…) Das freiheitliche Bürgertum, das früher im Kampf gegen den Antisemitismus in vorderster Linie stand, ist zu einem Teil dem Antisemitismus verfallen, und zum anderen Teil wagt es nicht mehr, seine Stimme (…) gegen den Antisemitismus zu erheben, sein politisches Rückgrat ist gebrochen."

Lassen Sie uns im Gedenken an das Schicksal des einstigen Polizeivizepräsidenten von Berlin, Bernhard Weiß, und Millionen unschuldiger Opfer auch künftig gemeinsam dafür kämpfen, dass sich seine illusionslose Einschätzung und damit der Lauf der Geschichte niemals wiederholen werden. Bewahren Sie sich Ihr politisches Rückgrat!

In diesem Sinne gratuliere ich Ihnen, sehr geehrter Herr Merbitz, im Namen des Zentralrats der Juden in Deutschland herzlich zu der hoch verdienten Ehrung mit dem Paul-Spiegel-Preis für Zivilcourage.

Ich danke Ihnen.

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Vita Preisträger

Landespolizeipräsident Bernd Merbitz

  • geboren 1956 in Zumroda, Kreis Schmölln
  • verheiratet, drei Kinder
  • seit 1975 in der Polizei
  • 1984 bis 1986...