Jüdische Geschichte, Religion und Kultur in der Schule



Grußwort des Präsidenten der Kultusministerkonferenz, Minister Helmut Holter anlässlich der Gemeinsamen Fachtagung der Kultusministerkonferenz und des Zentralrats der Juden in Deutschland „Jüdische Geschichte, Religion und Kultur in der Schule“

Sehr geehrter Herr Dr. Schuster,
meine Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
es ist mir eine große Freude, Sie heute hier in der Thüringer Landesvertretung be-grüßen und gemeinsam mit Ihnen, sehr verehrter Herr Dr. Schuster, die Tagung zur Vermittlung jüdischer Geschichte, Religion und Kultur in der Schule eröffnen zu dür-fen. Ich freue mich insbesondere auch darüber, dass die Zusammenarbeit der Län-der mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland nach der Arbeit an der gemeinsa-men Erklärung ihre Fortsetzung gefunden hat in der Erstellung einer Materialsammlung für Lehrkräfte und in der gemeinsamen Ausrichtung dieser Fach-tagung.
Die Tagung findet in einer Zeit statt, in der wir wieder offenen Antisemitismus in Deutschland erleben müssen. Ich zögere ein wenig bei dem Wort „wieder“. Antisemi-tische Pöbeleien, antisemitisch motivierte Straftaten, all das mussten wir auch in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten erleben. Sicherlich sind wir aufmerksamer als früher. Aber die uns vorliegenden Daten und Fakten belegen: Wir müssen achtsam sein. Sehr achtsam! Viel achtsamer!
Ich erlaube mir, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, Frau Charlotte Knobloch zu zitieren. In ihrer Botschaft zum diesjährigen Pessachfest (Hinweis: Pessachfest mit langem „e“ aussprechen) mahnte sie, nicht „zu vergessen, wie schnell die dünne Decke der Zivilisation reißen kann.“ Und fuhr fort: „Der Blick zurück, der zugleich eine Perspektive darstellt, macht bewusst, wie verletzlich Frei-heit ist, wie behutsam wir mit Demokratie umgehen müssen – mit unserer Heimat.“1
Nicht zuletzt weil diese Verletzlichkeit unserer freiheitlich-demokratischen Grundord-nung heute so deutlich sichtbar ist, habe ich meine Präsidentschaft in der Kultusmi-nisterkonferenz unter das Leitbild „Demokratie“ gestellt. Im Oktober werden wir im Plenum überarbeitete Empfehlungen zur „Demokratiebildung“ und zur „Menschen-rechtsbildung“ beschließen. Am 7. November 2018 werden wir erneut hier in der thüringischen Landesvertretung diese beiden Empfehlungen mit der interessierten Öffentlichkeit diskutieren.
Die Kultusministerkonferenz hat sich schon in den letzten Jahren intensiv mit dem gesamten Themenfeld auseinandergesetzt. So hat sie im Dezember 2014 unter der Präsidentschaft von Sylvia Löhrmann die Empfehlungen zur Erinnerungskultur unter dem Titel „Erinnern für die Zukunft“ verabschiedet, die wiederum den Anlass dafür bot, dass wir gemeinsam mit dem Zentralrat der Juden im Dezember 2016 die Erklä-rung beschließen konnten, die nun Grundlage dieser Tagung ist.
Meine Damen und Herren,
diese gemeinsame Erklärung, über die wir uns heute hier austauschen, ist etwas ganz Besonderes, weil sie – und hier möchte ich Sie, lieber Herr Dr. Schuster, aus der Pressemitteilung anlässlich ihrer Unterzeichnung zitieren – „einen neuen Ansatz in den Schulen … etablieren“ soll, der darauf zielt, „das Judentum in seiner Vielfalt erfahrbar zu machen“. Sicher wird dies mancherorts bereits praktiziert, aber es sollte in allen Schulen selbstverständlicher Bestandteil des Unterrichts sein.
Die angestrebte Vielfalt bezieht sich auf die Rolle und Bedeutung des Judentums in der deutschen und europäischen Geschichte, die es wesentlich mitgeprägt hat. Sie meint aber auch die Vermittlung eines lebendigen und authentischen Bilds vom jüdi-schen Leben heute, einschließlich einer differenzierten Betrachtung der jüdischen Religion. Dazu gehört schließlich und nicht zuletzt, die besondere Bedeutung des Staates Israel für Jüdinnen und Juden hervorzuheben.
Die ungeheuerlichen Verbrechen an den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern im Rahmen von Pogromen und die Schoah sind außer Frage weiterhin zentrale und verpflichtende Unterrichtsinhalte. Aber es geht eben um viel mehr, um die jüdische Geschichte in ihrer Vielfalt, um die Vielfalt jüdischen Lebens in unserer heutigen Zeit. Ich bin überzeugt, dass ein solch umfassender Ansatz einen wichtigen Beitrag für das Verständnis und den Abbau von Vorurteilen leistet. Zwar kann Bildung alleine nicht garantieren, dass „die dünne Decke unserer Zivilisation“ hält, aber sie ist grund-legende Voraussetzung. Zumal wenn Möglichkeiten zur Begegnung mit dem Juden-tum geschaffen werden, was ein weiterer Schwerpunkt unserer gemeinsamen Erklä-rung ist.Nun soll diese nicht im Status eines bildungspolitischen Statements und einer gut gemeinten Absichtserklärung verharren, sondern Leben bekommen. Dazu wenden wir uns mit dieser Tagung an Sie, die Sie in den Ländern für Lehrpläne und für die Lehrerbildung verantwortlich sind, die Sie Schulbücher erstellen oder in anderer Weise als Multiplikatorinnen oder Multiplikatoren wirken.
Wir wenden uns aber auch unmittelbar an die Lehrerinnen und Lehrer, denen bei der Umsetzung des von uns Gewollten die entscheidende Vermittlerrolle zukommt: Wis-send, dass ihnen in dem herausfordernden Schulalltag nicht immer genügend Zeit bleibt, sich neue Inhalte zu erschließen und diese für den schulischen Unterricht aufzubereiten, geht heute zu ihrer Unterstützung und auch Ermunterung eine Inter-netseite mit didaktisch gut aufbereiteten Materialien zu den einzelnen Themenberei-chen der gemeinsamen Erklärung ans Netz. Ich möchte an dieser Stelle der Arbeits-gruppe, die den Materialfundus erarbeitet hat, ausdrücklich danken und stellvertretend für die gesamte Gruppe den beiden Co-Vorsitzenden, Frau Barbara Witting und Herrn Dr. Norbert Reichel. Mein Dank gebührt auch dem Zentralrat der Juden, der die Einrichtung und Pflege der Website übernommen hat. Frau Erlbaum und Frau Dr. Schwermer werden Ihnen die Seite gleich vorstellen.
Ich möchte auch allen Referentinnen und Referenten, Moderatorinnen und Modera-toren für Ihre vielfältigen und interessanten Beiträge zu dieser Tagung danken wie auch Frau Shelly Kupferberg, die uns durch das Programm führt. Und nicht zuletzt dem Land Nordrhein-Westfalen für seine großzügige finanzielle Unterstützung. Nun bleibt mir noch, uns allen ein paar bereichernde und anregende Stunden zu wün-schen. Für die Zukunft wären mein Wunsch und meine Hoffnung, dass wir weiter gemeinsam daran arbeiten, dass die Zielsetzungen und Themen unserer Erklärung wie auch dieser Tagung eine möglichst breite Wirkung entfalten.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

18. April 2018, 10:00 Uhr
in der Vertretung des Landes Thüringen beim Bund

 

 

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