Israel zum 65. Geburtstag: Staatsräson plus Herzenssache!



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Wer seinen 65. Geburtstag begeht, verknüpft damit zumeist die Aussicht auf mehr Ruhe, Entspannung und Zeit, um das Leben endlich so richtig zu genießen. Dies gilt jedoch leider so gar nicht für das heutige Geburtstagskind: Den Staat Israel – ein Land, das uns Juden so viel bedeutet, dessen Existenz aber weiterhin so vehement von seinen Feinden bekämpft wird.

Zunächst aber einmal: ein herzliches Mazal Tov! Israel feiert seinen 65. Geburtstag, und die gesamte jüdische Gemeinschaft weltweit feiert mit. Zum 65. Mal jährt sich der wahrgewordene Traum der jüdischen Selbstbestimmung in einem eigenen Land, die Realisierung der jahrtausendalten religiösen Verheißung und die Erfüllung der innigen Sehnsüchte so vieler jüdischer Generationen vor uns.

Auch wir hier in Deutschland feiern in unseren Gemeinden und auf diversen Israel-Tagen diese für die jüdische Gemeinschaft so wichtige Errungenschaft - den jüdischen Staat. Es ist ein Staat, der die jahrtausendalte spirituelle Quelle unserer Religion und unserer Traditionen beheimatet. Und der für uns Juden auch heute noch für den schlimmsten Fall der Fälle, der hoffentlich niemals eintritt, der letzte sichere Hafen ist, sozusagen unsere immerwährende Versicherungspolice. Aber auch ein Staat, der mit Deutschland generell eine wahre Wertegemeinschaft teilt: Uns verbinden unsere Grundsätze von Freiheit, Ethik und Demokratie, wie indes auch die Verantwortung, die sich auf die besondere Vergangenheit gründet und zugleich in einer tiefen Freundschaft mündet, die noch weit in die Zukunft tragen soll. Dass dies öfter und stärker hierzulande verstanden und gewürdigt wird, wäre mir ein persönlicher Wunsch an diesem Jubiläum.

Dabei haben wir aber auch immer die Gefahren vor Augen, denen Israel ausgesetzt ist.

Die Hasstiraden des iranischen Staatspräsidenten Ahmadinejad und des despotischen Mullah-Regimes sind für viele nur heiße Luft, für uns Juden aber sind sie brennende Wunden, und die kranken Vernichtungsphantasien nehmen wir doch sehr ernst. Denn wir mussten schon einmal erleben, wie Menschen, nur weil sie Juden waren, vernichtet wurden. Dass dies auf den jüdischen Staat nun derart offen und dreist übertragen wird, können wir nicht einfach gelassen hinnehmen. Aus dem Trauma der Shoa, das immerzu in uns arbeitet, leitete Israel seine Staatsdoktrin ab: Nie wieder Opfer werden! Diesem Leitmotiv haben wir es doch zu verdanken, dass Israel heute seinen 65. Geburtstag überhaupt feiern kann. Und wir werden ihm zu verdanken haben, dass wir bestimmt noch viele, viele weitere Geburtstage Israels feiern können. Die brutale Asymmetrie des Nahen Ostens ist denn doch so simpel wie dramatisch: Verlieren die Anderen, haben sie einen Krieg verloren. Verliert Israel, ist Israel verloren. Es ist daher umso wichtiger, dass die gesamte Staatengemeinschaft das begreift und geschlossen und entschlossen den nuklearen Bestrebungen des Irans entgegentritt.

Und was ist aus dem arabischen Frühling geworden? Zu viele Blütenträume sind schon zu rasch verwelkt. In Ägypten, dem wichtigsten arabischen Land, hat eine korrupte Clique von Israel-Hassern die Macht übernommen, und der dortige Präsident hat über Israel und über Juden in einer Weise gesprochen, die einen geradezu widerwärtigen, tief sitzenden Vulgär-Antisemitismus offenbart hat.

Wir Juden allerdings haben durch unsere Geschichte gelernt, immer auf das Beste zu hoffen und zugleich auf das Schlimmste vorbereitet zu sein. Und wir sind stolz darauf, dass Israel, allen Bedrohungen zum Trotz, ein Land ist, das demokratisch bleibt und in dem Optimismus und Lebensfreude überall mit Händen zu greifen sind. Unseren Brüdern und Schwestern in Israel fühlen wir Juden uns in jedem Fall immer innig verbunden. Wir Juden sind hier eben nicht neutral, sondern natürlich Partei – immer werden wir uns mit den Menschen in Israel solidarisch fühlen!

An Geburtstagen darf man sich üblicherweise etwas wünschen, und obwohl ich selbst hier gar nicht das Geburtstagskind bin, wünsche ich mir an dieser Stelle dennoch etwas: Ich wünsche mir mehr Verständnis und mehr Fairness für den jüdischen Staat. Wir können es hier glücklicherweise nicht nachvollziehen, wie es ist, Tag für Tag seine Existenz verteidigen und sich mit unberechenbaren Gegnern und mit von Hass vergifteten Selbstmordattentätern auseinandersetzen zu müssen und obendrein zugleich einer weltweiten Verleumdungskampagne ausgesetzt zu sein, die den eigenen Staat dämonisiert und zu isolieren versucht. Ich wünsche mir also weniger Besserwisserei und mehr ehrliche Anteilnahme. Gegen sachliche Kritik ist gewiss nichts einzuwenden, jedoch sollte daraus keine unsachliche Verurteilung und generelle Verdammung werden. Auch wird Israel viel zu oft als Ventil genutzt, um auf vermeintlich legitime Art und Weise doch wieder dem Antisemitismus freien Lauf zu lassen. Diesem Phänomen müssen wir mit aller Kraft Einhalt gebieten. Die Sicherheit Israels gehört zur deutschen Staatsräson. Staatsräson plus Herzenswärme, das wünsche ich mir sehr für die Einstellung in Deutschland gegenüber Israel.

Und Israel selbst wünsche ich von Herzen Mazal Tov - und dass spätestens mit 66 Jahren das Leben anfängt: und zwar in Sicherheit und Frieden mit allen seinen Nachbarn.

Dr. Dieter Graumann
Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland

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