Investitur von Svetlana Kundish als Kantorin



Grußwort zur Investitur am 14. Juni 2018 in der Synagoge Pestalozzistraße (Berlin)

Foto : Tobias Barniske

Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und Vorstandsvorsitzender der ZWST

 

Grußwort zur Investitur von Svetlana Kundish als Kantorin am 14. Juni 2018 in der Synagoge Pestalozzistraße (Berlin)

 

Sehr geehrter Herr Rabbiner Sievers, als Hausherr

Sehr geehrter Herr Rabbiner Professor Homolka,

sehr geehrter Herr Rabbiner Dr. van Voolen,

sehr geehrter Herr Rabbiner Simon,

sehr verehrter Herr Staatssekretär Woop,

sehr geehrte Frau Chairman Guentner, liebe Sonja,

sehr geehrter Herr Keseberg,

verehrte Frau Generalsekretärin der UPJ, liebe Irit,

sehr geehrte Damen und Herren Kantoren,

- und natürlich unsere Hauptperson von heute, sehr geehrte Frau Kantorin Kundish!

 

 

 

 

Wir haben heute in dieser traditionsreichen Berliner Synagoge allen Grund zum Feiern: Die Investitur einer Kantorin, die in Deutschland ausgebildet wurde, ist ein fröhliches Ereignis in einer schwierigen Zeit. Gerne überbringe ich Ihnen auch die Grüße und Glückwünsche unseres Präsidenten, Dr. Schuster, der heute nicht selbst hier sein kann.

Ich brauche Ihnen nicht zu erzählen, welche Probleme die zunehmenden antisemitischen Vorfälle und die wachsende Israelfeindschaft uns Juden in Deutschland bereiten. Dazu kommen jüngste Äußerungen von rechtspopulistischen Politikern, die ich in diesem Gotteshaus nicht wörtlich wiedergeben möchte. Sie bestätigen unsere Einschätzung, dass diesen gewählten Volksvertretern tatsächlich eine „geschichtspolitische Wende“ vorschwebt. Sie wollen die dunklen Seiten der deutschen Geschichte bagatellisieren. Und in ihrem Populismus schrecken sie nicht zurück vor verbalen Schlägen ins Gesicht der Überlebenden der Schoa und ihrer Nachfahren.

 

Ich komme gerade aus dem Düsseldorfer Landtag, wo ein gemeinsamer Entschließungsantrag von CDU, FDP, SPD und BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN für die Einrichtung eines Antisemitismusbeauftragten in NRW mit den Stimmen der AfD verabschiedet wurde. Die lebhafte und deutliche Diskussion der Abgeordneten mündete bei beiden Rednern der AfD in die Beschwerde, sie würden benachteiligt, diskriminiert und ihre Wähler ausgeschlossen. Die gesamte Argumentationskette basierte auf diesem angeblich undemokratischen Verhalten der anderen Parteien. Das zweite vorgetragene Argument, war die Schuldzuweisung an die etablierten Parteien, die durch den Flüchtlingszuzug der letzten Jahre den Antisemitismus wieder ins Land geholt und gelassen hätten. Dies ist jedoch eine Verkennung und Verdrehung der Tatsachen. Bereits vor etwa 20 Jahren gab es eine Studie, die von 20 % latent antisemitischen Einstellungen in unserer Gesellschaft sprach.

 

Umso schöner finde ich es, dass wir heute einen weiteren Schritt zur Festigung unserer jüdischen Gemeinschaft tun können – und dass wir dadurch zeigen: Wir haben uns in diesem Land etabliert. Wir leben gerne in Deutschland, unsere Tradition ist untrennbar mit dem kulturellen Leben dieses Landes verbunden. Und dazu gehört auch der Gesang in der Synagoge.

 

Unter dem Dach des Zentralrats der Juden in Deutschland werden Kantorinnen und Kantoren, Rabbinerinnen und Rabbiner für alle Strömungen des Judentums ausgebildet. Als Vizepräsident des Zentralrats sehe ich diese Vielfalt unter einem Dach als Erfolgsmodell, das seinesgleichen sucht. Denn für uns als zahlenmäßig doch überschaubare Religionsgemeinschaft gibt es keine Alternative zum Prinzip der „Einheit in der Vielfalt“.

 

Sehr geehrte Frau Kundish, Sie arbeiten schon seit Längerem als Kantorin in der jüdischen Gemeinde Braunschweig – nun sind Sie gerade offiziell in Ihr Amt eingeführt worden. Dazu möchte ich Sie herzlich beglückwünschen - denn glücklich ist, wer seine Berufung zum Beruf machen kann!

Ihnen wurde der synagogale Gesang sozusagen in die Wiege gelegt: Ihr Urgroßvater war orthodoxer Kantor in der Synagoge von Owrutsch in der Ukraine. Kantorinnen sind in der orthodoxen Tradition zwar nicht üblich - dennoch kann ich mir gut vorstellen, dass Ihr Urgroßvater auch stolz auf seine Urenkelin wäre.

 

 

 

 

 

Ihr Lebensweg hat Sie von der Ukraine über Israel nach Österreich und schließlich nach Deutschland geführt. Hier knüpfen Sie an die jahrtausendelange Tradition unseres Volkes an und sichern dieses Erbe für die Zukunft – ob als Kantorin in Braunschweig, als Teilnehmerin am Kulturprogramms des Zentralrats der Juden in Deutschland oder als Dozentin beim Dozentin beim Yiddisch Summer in Weimar. Ihre ersten Worte auf Jiddisch haben Sie von Ihrer Großmutter gehört – und es freut mich sehr, dass Sie auch diese Tradition fortsetzen und die jiddische Sprache mit ihrem Liedgut an junge Menschen weitervermitteln.

Mit Ihrem Kantorenstudium in Potsdam, wie Sie selbst einmal gesagt haben, sind Sie zurück zu Ihren Wurzeln gegangen. Bei Ihnen, aber auch beim Abraham Geiger Kolleg unter der Leitung von Rabbiner Professor Homolka und dem Leiter des Kantorenkollegs Kantor Sheffer möchte ich mich ganz herzlich dafür bedanken.

 

Ein Kantor oder eine Kantorin ist ein Mensch, an dem sich die ganze Gemeinde orientiert. Ob Gottesdienst, Barmizwa, Batmizwa oder Hochzeit, Seelsorge oder Beerdigung – Sie übernehmen sehr häufig auch die Funktionen von Rabbinerinnen oder Rabbinern und sind zuständig für alle Bereiche des jüdischen Lebens. Sie sind Vorbild für die Jüngeren und Stütze für die Älteren. Das ist ein wichtiger Auftrag und eine große Verantwortung. Ich wünsche Ihnen Mazal Tov, viel Glück und Erfolg für Ihre Arbeit auch in der Zukunft!

 

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!

 

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