Grußwort zur Neueröffnung der Dauerausstellung im Centrum Judaicum



Grußwort des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster, beim Festakt zur Neueröffnung der Dauerausstellung im Centrum Judaicum, 4.7.2018, Berlin

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

die prächtige und wunderschöne Kuppel dieser Synagoge war damals – vor 152 Jahren – und ist heute das Symbol für das jüdische Leben in Berlin.

Mit großem Selbstbewusstsein und beträchtlichen finanziellen Mitteln ließen die Berliner Juden mitten im Zentrum und weithin sichtbar diese Synagoge errichten, die 1866 eingeweiht wurde. Das war damals in der Stadt Gesprächsthema, und zwar weit über jüdische Kreise hinaus.

Und heute, gut 150 Jahre später und nach dem Bruch durch die Schoa ist diese Kuppel wieder das beliebteste Motiv, um das jüdische Leben in Berlin zu illustrieren. Und es ist vermutlich die jüdische Einrichtung in Berlin, die am häufigsten von Touristen fotografiert wird.

Doch zum Glück handelt es sich bei diesem Gebäude nicht nur um eine Fassade. Das Centrum Judaicum, insbesondere mit seinem Archiv, gehört zu den wichtigsten jüdischen Einrichtungen Berlins, ja, ich würde sagen, Deutschlands.

Und mit der Dauerausstellung, die jetzt in neuer Gestaltung für das Publikum zugänglich ist, wird das Centrum Judaicum auch der Inschrift am Eingang wieder gerecht: „Tuet auf die Pforten“.

Doch bevor ich noch ein paar Sätze zu der neuen Ausstellung sage, möchte ich noch einmal Bezug auf diesen selbstbewussten Bau nehmen.

Was die Berliner Juden mit diesem Gebäude ganz deutlich zum Ausdruck bringen wollten, liegt auf der Hand: Wir sind Bürger Berlins!

Die Neue Synagoge zeugt davon, dass sich die jüdische Gemeinde als Teil der Stadtgesellschaft wahrnahm.

Und dies ist auch heute so: Die Jüdische Gemeinde zu Berlin, die ihren Verwaltungssitz hier im Haus hat, ist ebenfalls ein fester Bestandteil der Stadtgesellschaft. Nach dem Fall der Mauer wiedervereinigt und durch die Zuwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion stark gewachsen, bereichert die Gemeinde diese Stadt.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

warum betone ich das so?

Weil ich leider den Eindruck habe, dass Juden in Deutschland oft nicht als selbstverständlicher Bestandteil der Gesellschaft wahrgenommen werden. Sondern dass das Judentum noch immer oder sogar wieder verstärkt als etwas Fremdes wahrgenommen wird.

Immer wieder passiert es uns, dass wir gefragt werden, was in unserem Land los sei und gemeint ist Israel. Oder wir werden gefragt, ob wir Deutsch sprechen. Ebenso häufig wird unterschieden zwischen Deutschen und Juden.

Daher ist es mir wichtig, gerade heute festzuhalten: Was am Ende des 19. Jahrhunderts für die Berliner Juden galt, gilt auch heute für die jüdische Gemeinschaft: Wir sind Bürger dieses Landes. Wir verstehen uns als festen Bestandteil dieser Gesellschaft. Mit allen Rechten und Pflichten.

Diese Haltung mussten wir uns nach den Verbrechen der Schoah erst erarbeiten. Sie hat viel mit Vertrauen zu tun.

Doch über die Jahrzehnte hat es uns der größte Teil der Bevölkerung in Deutschland möglich gemacht, dieses Vertrauen aufzubauen.

Derzeit ist es jedoch leider so, dass dieses Vertrauen an manchen Stellen bröckelt. Jede Beleidigung, die wir erleben, jede Anpöbelei und erst recht gewalttätige Übergriffe gegen Juden höhlen dieses Vertrauen aus.

Auch die AfD trägt dazu bei. Wenn die NS-Verbrechen durch AfD-Politiker laufend relativiert werden, wenn systematisch an der Ausgrenzung einzelner gesellschaftlicher Gruppen gearbeitet wird, dann ist die jüdische Gemeinschaft alarmiert.

Und daher fordere ich ganz deutlich: Weder für diese Partei noch für jegliche Form von Antisemitismus darf es Toleranz geben!

Antisemitismus muss ebenso geächtet werden wie alle Versuche, die deutsche Geschichte umzuschreiben oder die Opfer der Nazis zu verhöhnen, wie Alexander Gauland es indirekt getan hat. Die nachträglichen Entschuldigungen der AfD-Politiker gehören nach meinem Eindruck zum Spiel und sind pure Heuchelei!

Wir dürfen diesen Zündeleien der AfD keinen Raum geben!

Ebenso gilt es, in die Breite der Gesellschaft hinein Vorurteile abzubauen. Das muss auf vielen Wegen geschehen.

Ein Weg ist – davon bin ich fest überzeugt – diese Ausstellung.

Hier werden Besucher mitgenommen in die wechselvolle Geschichte dieses Hauses. Sie lernen auf anschauliche Weise, dass Judentum mehr ist als eine Opfergeschichte. Und zugleich wird die Verzahnung des jüdischen Alltags mit der übrigen Gesellschaft sehr schön sichtbar.

Ich danke daher Ihnen, sehr geehrte Frau Dr. Siegemund, und Ihnen, sehr geehrte Frau Dr. Schütz als Kuratorin, dass Sie die Besucher auf so wunderbare und moderne Weise an die Hand nehmen, um das Judentum in seiner Vielfalt kennenzulernen.

Mit der neuen Dauerausstellung wünsche ich Ihnen viel Erfolg! Sie bereichert das kulturelle Angebot Berlins, und ich hoffe, dass viele Besucher den Weg hierher finden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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