Festakt zum 50. Jahrestag der Einweihung der Synagoge Karlsruhe



Grußwort von Dr. Josef Schuster beim Festakt zum 50. Jahrestag der Einweihung der Synagoge Karlsruhe

Foto: Jörg Donnecker

Anrede,

Ich erinnere mich sehr gut daran, wie ich vor vier Jahren hier in der Synagoge in Karlsruhe zu Gast war, weil wir 300 Jahre jüdisches Leben gefeiert haben. In diesen vier Jahren ist viel geschehen, doch es gibt auch Parallelen: So stehen wir wieder vor einer Bundestagswahl, bei der wir uns fragen, wie die AfD abschneiden wird. Sehr zu recht hat der Bundespräsident gerade davor gewarnt, den Wahlkampf als Schlammschlacht zu führen.

Doch während es 2017 die Nachwirkungen der Flüchtlingskrise waren, die die Gesellschaft zu spalten drohten, so sind es heute die Folgen der Corona-Pandemie, die noch immer nicht ausgestanden ist.

Und hier liegt auch ein großer Unterschied zum Jahr 2017. Vor vier Jahren hätte sich niemand von uns ausmalen können, das jüdische Gemeinden durch eine Pandemie im Grunde lahmgelegt werden und wir über Monate nur über digitale Formate einander begegnen können. Es hätte sich auch niemand vorstellen können, dass wir in der Synagoge weit auseinander stehen und einen Mundschutz tragen.

Es ist wahrlich keine leichte Zeit, die hinter uns liegt. Und noch wissen wir alle nicht, wie sich die Pandemie in den kommenden Monaten entwickeln wird.

All jene Menschen, die in diesen schweren Monaten die Gemeinde zusammengehalten haben, dürfen ruhig ein wenig stolz auf sich sein. Sie mussten und Sie haben Außergewöhnliches geleistet!

Und ich hoffe für unsere Gemeinden, vor allem aber für unsere Gesellschaft insgesamt, dass wir Lehren aus dieser Corona-Zeit ziehen. Dass diese Zeit letztlich auch zu Fortschritten führt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

50 Jahre erscheinen in einem Geschichtsbuch wie ein sehr kleiner Abschnitt. Gerade einmal zwei Generationen. Dennoch hat sich in den vergangenen 50 Jahren die Struktur der IRG Baden und der jüdischen Gemeinde Karlsruhe stark verändert – so wie es im Übrigen in allen jüdischen Gemeinden in Deutschland der Fall ist.

Durch den Zuzug von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion sind unsere Gemeinden stark gewachsen. In diesem Jahr können wir auf 30 Jahre jüdische Zuwanderung zurückblicken.

Es ist eine Erfolgsgeschichte geworden: Viele Menschen haben den Weg zurück zu ihrer Religion gefunden, die sie in ihren Herkunftsländern nicht mehr praktizieren konnten. Ihre Kinder und Kindeskinder sind vollständig integriert und häufig beruflich sehr erfolgreich.

Am Anfang, das kann man ruhig zugeben, hat es manchmal geknirscht zwischen Alt-Eingesessenen und Zuwanderern. Doch nach ein paar Jahren stellten wir fest: Diese neu zugewanderten Gemeindemitglieder bringen uns auch etwas mit - eine neue Perspektive: Die Perspektive der Befreier.

Hier kamen Menschen, die in der Roten Armee gekämpft und 1945 Deutschland befreit hatten. Es waren freilich auch Menschen darunter, die viele Familienangehörige in der Schoa verloren hatten.

Die neuen Gemeindemitglieder sind mittlerweile nicht mehr neu, sondern bilden das Fundament unserer Gemeinden. Dass sich die Gemeinden durch die Zuwanderung so konsolidiert haben, ist heute wichtiger denn je. Denn die äußeren Gegebenheiten sind in den vergangenen 50 Jahren nicht einfacher geworden.

Zur Bedrohung durch Rechtsextremisten sind die Anfeindungen von islamistischer Seite hinzugekommen.

Die sozialen Medien, die es vor 50 Jahren noch gar nicht gab, spielen zudem leider eine ungute Rolle. Die zahlreichen Gruppen und Netzwerke auf schwer zu kontrollierenden Plattformen tragen erheblich zur Radikalisierung von Menschen bei. Welche furchtbaren Folgen das haben kann, haben wir bei den Anschlägen in Halle und Hanau gesehen.

Zugleich bewegen wir uns in einer immer stärker säkularisierten Gesellschaft, in der das Verständnis für Religionsgemeinschaften ebenso abnimmt wie das historische Wissen.

Daher ist es so wichtig, dass wir – übrigens mit großer Unterstützung des Staates - in diesem Jahr das Festjahr „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ begehen können. Es bietet eine einmalige Chance, die Menschen mit dem Judentum vertrauter zu machen und Brücken zu bauen.

Bei der Eröffnung des Festjahres habe ich darauf hingewiesen, dass wir noch mehr als bisher aufklären müssen, um antisemitische Vorurteile abzubauen. Wir können die Menschen zwar leider nicht gegen Antisemitismus impfen. Aber Brücken zu bauen zwischen Juden und Nicht-Juden – daran beteiligen wir uns gern!

Die Jüdische Gemeinde Karlsruhe und die IRG Baden tun dies hier in der Region seit Jahrzehnten. Ich wünsche Ihnen, dass diese Brücken tragen und die Verständigung in jeder neuen Generation gelingt.

In diesem Sinne Mazal tow zum 50-jährigen Bestehen der Synagoge!

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