Allianz für Weltoffenheit, Solidarität, Demokratie und Rechtsstaat - gegen Intoleranz, Menschenfeindlichkeit und Gewalt
Deutschland ist ein demokratisches und weltoffenes Land, eingebettet in die Europäische Union als Werte- und Wirtschaftsgemeinschaft, den universellen Menschenrechten verpflichtet. In Deutschland leben seit Jahrzehnten Menschen unterschiedlicher Herkunft, Kultur und Religion zusammen. Der im Grundgesetz verankerte Schutz der Menschenwürde gilt für alle Menschen, gleich ob sie seit Generationen hier leben, zugewandert oder als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind.
Wer in seiner Heimat aufgrund von Krieg und Verfolgung um Leib und Leben fürchten muss, hat Anspruch auf Schutz in Europa. Wir treten dafür ein, dass Deutschland auch weiterhin seine humanitären Verpflichtungen erfüllt. Zugleich steht außer Frage, dass wir unbedingt eine gemeinsame europäische Lösung brauchen, um Fluchtursachen wirksam zu bekämpfen und den Anliegen der vielen schutzsuchenden Menschen gerecht zu werden. Kein Mitgliedstaat der Europäischen Union darf sich der gemeinsamen Verantwortung entziehen.
Die Aufnahme und Integration der vielen Flüchtlinge sind verbunden mit großen gesellschaftlichen, ökonomischen und sozialen Herausforderungen. Tausende von Bürgerinnen und Bürgern sowie die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Behörden, Polizei, Hilfs- und Wohlfahrtsorganisationen leisten Beeindruckendes. Dieses Engagement steht für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die ungebrochene Hilfsbereitschaft zeugt davon, dass Solidarität und Mitmenschlichkeit zu den prägenden Werten unserer Gesellschaft gehören.
Deutschland braucht erheblich mehr Investitionen in seine Zukunftsfähigkeit. Dies zeichnet sich bereits seit Langem ab, wird angesichts der hohen Flüchtlingszahlen aber immer dringlicher. Wir benötigen Investitionen in Bildung, Ausbildung und Beschäftigung, ausreichenden bezahlbaren Wohnraum, eine funktionierende öffentliche Infrastruktur sowie Sicherheit vor Gewalt. Menschen, die von Armut, Arbeitslosigkeit oder fehlender sozialer Absicherung betroffen sind, dürfen bei der Lösung der gegenwärtigen Herausforderungen nicht vernachlässigt werden. Alle müssen die gleiche Chance bekommen, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
Die menschenwürdige Aufnahme von Flüchtlingen, ihre Integration und die Verhinderung von sozialer, kultureller und gesellschaftlicher Spaltung sind eine Gemeinschaftsaufgabe. Bund, Länder und Kommunen, Wirtschaft und Gewerkschaften, Kirchen und Religionsgemeinschaften, Organisationen der Wohlfahrtspflege sowie die gesamte Zivilgesellschaft müssen auch weiterhin Verantwortung tragen. Wir sind überzeugt, dass wir die großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, gemeinsam bewältigen können.
Ein friedliches Miteinander und die Integration in die deutsche Gesellschaft gelingen nur dann, wenn die Werte des Grundgesetzes und unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens von allen akzeptiert werden. Dies bedeutet etwa, dass das Recht auf freie Ausübung der Religion ohne Unterschied anerkannt werden muss. Es bedeutet aber auch, dass niemand die eigene kulturelle oder religiöse Prägung als Deckmantel missbrauchen darf, um die Grundrechte der Glaubens- und Gewissensfreiheit, der körperlichen Unversehrtheit und der Gleichberechtigung von Mann und Frau in Frage zu stellen oder Minderheiten zu diskriminieren. Dort, wo das Gewaltmonopol des Staates missachtet oder Straftaten begangen werden, müssen die Täter strafrechtlich verfolgt werden. Straftäter mit ausländischer Staatsangehörigkeit müssen gegebenenfalls mit der Beendigung ihres Aufenthalts in Deutschland rechnen.
Viele Flüchtlinge werden für lange Zeit oder dauerhaft bei uns bleiben. Jeder Einzelne von ihnen muss als Mensch mit seinem Schicksal und seinen oft leidvollen Erfahrungen wahrgenommen werden. Ein nachhaltiger Integrationserfolg setzt ausreichende Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe sowie die Bereitschaft zur Integration voraus. Deutsch zu lernen ist dabei genauso wichtig wie ein möglichst früher Zugang zu Integrationsmaßnahmen, Bildung, Kultur, Arbeit und Sport.
Die Eingliederung in den Arbeitsmarkt ist eine wesentliche Voraussetzung für eine nachhaltige Integration von Flüchtlingen. Dafür sind möglichst betriebsnahe Maßnahmen, die den Einstieg in eine qualifizierte Berufsausbildung und deren erfolgreichen Abschluss ermöglichen, genauso wichtig wie Qualifizierungsmaßnahmen zur Aufnahme einer Beschäftigung. Die Maßnahmen und Programme müssen zu einer Gesamtstrategie für die Schaffung ökonomischer und gesellschaftlicher Teilhabechancen zusammengeführt werden.
Wir wollen Demokratie und Rechtsstaat stärken. Wir stehen für Solidarität und Weltoffenheit. Wir sind davon überzeugt: Jeder, der in unserem Land Schutz sucht, muss Anspruch haben auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren. Auch denjenigen, die wegen wirtschaftlicher Not und Elend nach Deutschland kommen und als Ergebnis eines rechtsstaatlichen Verfahrens keine Bleibeperspektive haben und deshalb in ihre Heimat zurückkehren müssen, ist mit Empathie und Respekt zu begegnen.
Mit großer Sorge erfüllt uns die Tatsache, dass rechtspopulistische und rechtsextreme Gruppierungen das Thema Flucht und Migration derzeit dazu nutzen, Feindseligkeit zu schüren und unsere freiheitlich-demokratische Ordnung in Frage zu stellen. Jeder Form von Hass, Rassismus, Beleidigung oder Gewalt treten wir mit Entschiedenheit entgegen.
Wir rufen dazu auf,
- die Flüchtlings- und Einwanderungsdebatte sachlich und lösungsorientiert zu führen statt öffentlich Ressentiments zu schüren oder parteitaktische Interessen zu verfolgen,
- menschenfeindlichen Äußerungen und Handlungen, gleich woher sie kommen und gegen welche Gruppe sie sich richten, entgegenzutreten,
- rechtsextreme, menschenverachtende Angriffe auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte, auf Polizistinnen und Polizisten, auf Vertreterinnen und Vertreter der Presse sowie Helferinnen und Helfer strafrechtlich konsequent zu verfolgen.
Wir treten ein für
- die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts,
- einen Dialog über kulturelle, religiöse und soziale Unterschiede und die Schaffung von Räumen der Begegnung,
- eine solidarische und nachhaltige Politik, die allen in Deutschland lebenden Menschen gerechte Teilhabechancen eröffnet,
- ein verbessertes Bildungsangebot als Schlüssel für eine erfolgreiche gesellschaftliche Integration,
- eine Flüchtlingspolitik, die im Einklang mit unseren humanitären und menschenrechtlichen Verpflichtungen steht und faire Asylverfahren garantiert,
- den Schutz der Grundrechte, zu denen die Glaubens- und Gewissensfreiheit und das Recht auf körperliche Unversehrtheit ebenso zählen wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau und das Diskriminierungsverbot,
- den Schutz aller Menschen vor Gewalt, Menschenfeindlichkeit und Fremdenhass,
- eine ausreichende finanzielle Vorsorge, damit die bestehenden und durch die Aufnahme von Flüchtlingen zusätzlichen Aufgaben von Bund, Ländern und Kommunen im Sinne einer nachhaltigen Integration erfüllt werden können,
- die Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols bei der Bekämpfung von Kriminalität und ein friedliches Miteinander ohne Gewalt,
- ein Europa, das die Menschenwürde schützt und Perspektiven für ein friedliches Zusammenleben schafft.
Gerade in Krisenzeiten dürfen wir die rechtsstaatlichen, sozialen und humanitären Errungenschaften unserer Gesellschaft nicht aufgeben. Die Würde des Menschen zu schützen, ist unser Ziel. Deshalb engagieren wir uns mit vereinten Kräften für Weltoffenheit, Solidarität, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Deutschland und Europa.
Unterzeichner:
Dr. Zekeriya Altug, Sprecher des Koordinationsrats der Muslime
Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm, Landesbischof, Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)
Prof. Christian Höppner, Präsident des Deutschen Kulturrates
Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
Rainer Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)
Ingo Kramer, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)
Kardinal Dr. Reinhard Marx, Erzbischof, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz
Prof. Dr. Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR)
Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW)
Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland