15 Jahre Bergische Synagoge in Wuppertal



Grußwort des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster, beim Festakt zum 15-jährigen Bestehen der Bergischen Synagoge, 10.12.2017,Wuppertal

Anrede,

seit 15 Jahren sendet diese wunderschöne und moderne Synagoge ein ganz spezielles Zeichen aus. Es ist ein verstecktes Zeichen, ein Zeichen für Eingeweihte, für Wissende:

Die neun schmalen, hohen Fenster dieser Synagoge erzählen uns von einem der schönsten Wunder in der jüdischen Geschichte – vom Öl, das die Makkabäer nach ihrem Sieg im entweihten Tempel vorfanden und das eigentlich nur noch reichte, um das Licht im Tempel einen Tag lang brennen zu lassen. Doch auf wundersame Weise reichte es für acht Tage. Und damit so lange, bis neues Öl hergestellt war.

Dieses Wunder feiern wir an Chanukka, das in wenigen Tagen beginnt. Und die neun Fenster dieser Synagoge symbolisieren eine Chanukkia, also einen Chanukka-Leuchter, und erinnern das ganze Jahr über an das Chanukka-Wunder.

Es freut mich sehr, dass wir gerade jetzt, so kurz vor Chanukka, das 15-jährige Bestehen der Bergischen Synagoge feiern können und ich darf Ihnen, lieber Herr Goldberg, sowie der gesamten Gemeinde, aber auch der Stadt Wuppertal zu diesem Jubiläum im Namen des Zentralrats der Juden von Herzen gratulieren!

Chanukka, ich deutete es gerade an, wird als „Fest der Wunder“ bezeichnet. Der große jüdische Gelehrte Maimonides hat einmal gesagt:

„Wunder sind kein Beweis für etwas Unmögliches, sondern eine Bestätigung für das Mögliche.“

Und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, steht eigentlich auch in vielerlei Hinsicht für das jüdische Leben hier in Deutschland, so wie es mittlerweile wieder existiert.

Wer hätte es geglaubt, gar nur zu träumen gewagt, dass es nach der Schoa jemals wieder ein jüdisches Leben in Deutschland wieder geben würde? In dem Land, von dem das größte Menschheitsverbrechen ausging mit dem Ziel, jüdische Existenz in Europa zu vernichten, gibt es heute wieder eine vitale, dynamische und zukunftsorientierte jüdische Gemeinschaft.

Ein Wunder – in der Tat!  Zugleich aber, frei nach Maimonides, eine Bestätigung für das Mögliche – wenn nur der Glaube, der Wille und die Courage stark genug sind.

Davon zeugt auch die Entwicklung des jüdischen Lebens hier in Wuppertal. Erst vor wenigen Wochen haben wir überall im Land an die Novemberpogrome von 1938 erinnert. Auch die Barmer Synagoge in der Scheurenstraße fiel den Verwüstungen durch die Nazis zum Opfer und brannte nieder, wie so viele Synagogen in ganz Deutschland.

Nach dem Krieg war es ein kleiner, aber sehr tapferer Kreis von Menschen, die hier die jüdische Gemeinde wieder neu begründeten. Dank der Zuwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion wuchs schließlich die Gemeinde auf eine Größe an, die den Neubau einer Synagoge erforderlich machte.

Wo ich eben von Wundern sprach: Ist nicht alleine diese Tatsache eine wunder-bare Entwicklung?

Noch wunderbarer war dann die große Unterstützung, die die Gemeinde erfuhr: die Evangelische Kirche im Rheinland stellte das Grundstück zur Verfügung. Die Stadt Wuppertal sowie mehrere Städte der Umgebung beteiligten sich ebenfalls finanziell am Neubau der Bergischen Synagoge.

Jetzt steht sie in unmittelbarer Nachbarschaft zur Gemarker Kirche. Dies ist ein schöner Ausdruck des guten Miteinanders der Religionen, das hier in Wuppertal gepflegt wird.

Umso trauriger hat es mich gestimmt, als ich 2014 vom Brandanschlag auf die Bergische Synagoge hörte. Es war gut, dass die Täter schnell gefasst wurden. Aber ich muss ehrlich sagen, geradezu wütend bin ich bis heute über das Urteil und seine Begründung.

Eigentlich, meine Damen und Herren, hätte ich das Kapitel heute bei diesem Festakt, gerne ausgelassen. Doch es treibt mich nach wie vor zu sehr um, um darüber zu schweigen.

Die Täter erhielten Bewährungsstrafen. Doch dass Richter verschiedener Gerichte in Deutschland einhellig zu der Meinung kommen können, ein Brandanschlag auf eine Synagoge sei ein Zeichen politischen Protests, aber kein Antisemitismus – das macht mich fassungslos.

Wenn zwei junge Männer ihre Wut über den Nahostkonflikt und ihren Hass auf Israel stellvertretend an einem jüdischen G’tteshaus auslassen – was soll das Anderes sein als Antisemitismus?

Es war leider nicht das erste und einzige Urteil, bei dem man den Eindruck gewinnt, die Maßstäbe gegenüber Israel sind merkwürdig verrutscht. Mich stimmt das sehr nachdenklich.

Es geschieht inzwischen auch häufiger, dass wir den Eindruck gewinnen, Juden würden nicht als selbstverständlicher Bestandteil unserer Gesellschaft wahrgenommen. Sondern dass wir als Fremde betrachtet werden. Immer wieder passiert es uns, dass wir gefragt werden, was in unserem Land los sei und gemeint ist Israel. Oder wir werden gefragt, ob wir Deutsch sprechen. Ebenso häufig wird unterschieden zwischen Deutschen und Juden.

Daher ist es mir wichtig, festzuhalten: Wir sind Bürger dieses Landes. Wir verstehen uns als festen Bestandteil dieser Gesellschaft. Mit allen Rechten und Pflichten.

Diese Haltung mussten wir uns nach den Verbrechen der Schoah erst erarbeiten. Sie hat viel mit Vertrauen zu tun. Doch über die Jahrzehnte hat es uns der größte Teil der Bevölkerung in Deutschland möglich gemacht, dieses Vertrauen aufzubauen.

Tiefster Ausdruck dieses Vertrauens ist der Neubau einer Synagoge.

Er ist – nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern viel stärker in ideeller Hinsicht – ohne den Rückhalt der übrigen Gesellschaft gar nicht möglich.

Ich freue mich, dass in Wuppertal dieses Vertrauen und dieser Rückhalt vor 15 Jahren vorhanden waren.

Das Vertrauen wurde 2014 durch den Anschlag tief erschüttert.

Der Rückhalt nicht! Es gab eine beispiellose Solidarität!

Diesen Rückhalt finden wir übrigens auch immer in den Sicherheitsbehörden. Denn es ist ja die traurige Realität: Hätten wir an Synagogen und anderen jüdischen Einrichtungen keinen Polizeischutz, gäbe es solche oder schlimmere Anschläge vermutlich viel häufiger. Dem Dank an die Polizistinnen und Polizisten, die unsere Einrichtungen bewachen, kann ich mich daher aus vollem Herzen anschließen! Und Ihnen, sehr geehrte Frau Radermacher, gratuliere ich zur Goldenen Menorah!

Der Bau einer Synagoge ist Ausdruck tiefen Vertrauens.

Ich wünsche der Jüdischen Kultusgemeinde Wuppertal sowie der ganze jüdischen Gemeinschaft in Deutschland, dass dieses Vertrauen nie mehr getäuscht wird.

Und dass gerade in Zeiten eines wachsenden Rechtspopulismus, eines steigenden Antisemitismus und einer verbreiteten Israel-Feindlichkeit der Rückhalt für uns beständig ist.

In diesem Sinne wünsche ich der Gemeinde für die nächsten 15 Jahre und darüber hinaus alles Gute sowie uns allen hier das ganze Jahr über die Gewissheit, dass Wunder das Mögliche bestätigen!

 

Ich danke Ihnen!

 

                    

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